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Die Seele des Königs (German Edition)

Die Seele des Königs (German Edition)

Titel: Die Seele des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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dass sie identisch waren.
    Gaotona betrachtete das Zimmer und die feinen beschnitzten und polierten Möbel. Der Marmorfußboden war mit silbernen Einlegearbeiten verziert, im Kamin knisterte ein Feuer, und auf dem Tisch stand ein kleiner Kerzenhalter. Ein kostbarer Teppich – er war einmal eine Bettdecke gewesen, denn er hatte Löcher für die Pfosten – bedeckte den Boden. An der rechten Wand glitzerte das Bleiglasfenster und erhellte das wunderschöne Wandgemälde.
    Das Einzige, was noch seine ursprüngliche Gestalt behalten hatte, war die dicke, aber unscheinbare Tür. Shai konnte sie nicht fälschen, da das Blutsiegel an ihr klebte.
    » Weißt du, dass du das schönste Zimmer im ganzen Palast bewohnst?«, fragte Gaotona.
    » Das bezweifle ich«, meinte Shai und rümpfte die Nase. » Sicherlich sind die Gemächer des Kaisers noch schöner.«
    » Sie sind größer, ja, aber nicht schöner.« Er kniete sich noch einmal vor das Wandgemälde und betrachtete die Siegel am unteren Rand. » Du hast eingehende Erläuterungen über die Art und Weise beigegeben, wie es gemalt wurde.«
    » Wer eine realistische Fälschung erschaffen will«, sagte Shai, » muss bis zu einem gewissen Grad die handwerklichen Fähigkeiten besitzen, die er nachahmen möchte.«
    » Dann hättest du die Wand auch selbst bemalen können.«
    » Ich habe keine Farben.«
    » Aber du hättest es gekonnt. Und du hättest Farben verlangen können. Ich hätte sie dir gegeben. Stattdessen hast du eine Fälschung geschaffen.«
    » So bin ich nun einmal«, sagte Shai und wurde wieder wütend auf ihn.
    » Du hast es dir selbst ausgesucht. Wenn eine Mauer sich wünschen kann, ein Wandgemälde zu haben, Wan ShaiLu, dann kannst du dir wünschen, eine große Malerin zu sein.«
    Sie warf ihren Stempel auf den Tisch und atmete mehrfach tief durch.
    » Du bist aufbrausend«, sagte Gaotona. » Wie er. Inzwischen weiß ich genau, wie sich das anfühlt, denn du hast es mir bei mehreren Gelegenheiten gezeigt. Ich frage mich, ob das … ob das, was du tust, auch dazu benutzt werden könnte, um das Bewusstsein der Menschen zu erweitern. Wenn man seine eigenen Empfindungen in einen Stempel einschreiben und dann die anderen spüren lassen kann, wie man selbst ist …«
    » Das klingt großartig«, sagte Shai. » Wenn das Fälschen von Seelen bloß nicht ein so schrecklicher Verstoß gegen die Natur wäre.«
    » Ja, wenn …«
    » Wenn Ihr diese Stempel lesen könnt, dann habt Ihr wirklich sehr viel gelernt«, sagte Shai in dem Versuch, das Thema zu wechseln. » Ich glaube aber, dass Ihr mich bloß beschwindelt.«
    » Eigentlich …«
    Shai hob den Kopf und verbannte ihren Ärger, der nach kurzem Aufflackern bereits wieder abgeklungen war. Was war das?
    Gaotona griff verlegen in die tiefe Tasche seiner Robe und holte ein hölzernes Kästchen hervor. Es war jenes, in dem Shai ihre Schätze aufbewahrte, die fünf Wesenspräger. Diese Umschreibungen ihrer Seele vermochten sie in Zeiten der Not in eine Person zu verändern, die sie hätte sein können .
    Shai machte einen Schritt nach vorn, doch als Gaotona das Kästchen öffnete, sah sie, dass sich die Präger nicht mehr darin befanden. » Es tut mir leid«, sagte er, » aber ich glaube, es wäre ein wenig … dumm von mir, wenn ich sie dir jetzt geben würde. Jeder einzelne von ihnen könnte dich im Handumdrehen aus der Gefangenschaft befreien.«
    » Dazu sind nur zwei in der Lage«, sagte Shai verbittert. In ihren Fingern zuckte es. Diese besonderen Seelenstempel stellten acht Jahre Lebensarbeit dar. Mit dem ersten hatte sie an dem Tag begonnen, als ihre Lehrzeit geendet war.
    » Hm, ja«, sagte Gaotona. In dem Kästchen lagen kleine Metallplatten mit Gravuren, die den Plan für die Umgestaltung ihrer Seele beinhalteten. » Diese hier vermutlich?« Er hielt eine der Platten hoch. » Shaizan. Das heißt übersetzt … Shai die Faust? Würde das eine Kriegerin aus dir machen, wenn du dich damit stempelst?«
    » Ja«, sagte Shai. Er hatte also ihre Wesenspräger untersucht. Offenbar konnte er die Stempel bereits sehr gut lesen.
    » Ich verstehe nur ein Zehntel von dem, was hier eingraviert ist«, sagte Gaotona. » Aber das, was ich verstehe, ist schon beeindruckend genug. Es muss viele Jahre gedauert haben, bis sie fertig waren.«
    » Deswegen sind sie … so wertvoll für mich«, sagte Shai und zwang sich, an ihrem Tisch Platz zu nehmen und die Platten nicht anzustarren. Wenn sie mit ihnen entkommen konnte, wäre es für sie

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