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Die Seele des Königs (German Edition)

Die Seele des Königs (German Edition)

Titel: Die Seele des Königs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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gewöhnlichen Wachen verließen jeden Tag während ihrer Gespräche mit Gaotona das Zimmer.
    Die armen Greifer würden sich vermutlich bald für den Rest ihres Lebens an irgendeinem fernen Außenposten des Reiches wiederfinden und die Pässe zur Halbinsel Teoish oder etwas dergleichen bewachen. Sie würden einfach vergessen werden, damit sie nicht einmal unbeabsichtigt etwas von dem ausplaudern konnten, was hier geschehen war.
    » Frag Gaotona, wenn du es wissen willst«, sagte Shai leise. » Ich darf es dir nicht sagen.«
    Ehrfürchtig nahm Shai das Siegel auf und legte es zusammen mit der Metallplatte in ein Kästchen, das sie dafür vorbereitet hatte. Der Stempel ruhte nun auf rotem Samt und die Platte – die wie ein großes, dünnes Medaillon geformt war – in einer Vertiefung im Deckel. Shai schloss ihn und zog dann ein zweites, etwas größeres Kästchen heran. Darin lagen fünf Siegel, geschnitzt und vorbereitet für ihre bevorstehende Flucht. Falls sie ihr gelang. Zwei von ihnen hatte sie bereits benutzt.
    Wenn sie bloß ein paar Stunden schlafen könnte. Nur ein paar …
    Nein. Das Bett kann ich sowieso nicht benutzen .
    Doch es wäre bereits wundervoll, sich einfach auf dem Boden zusammenzurollen.
    Die Tür wurde geöffnet. Shai verspürte einen plötzlichen Augenblick durchdringender Panik. War es der Blutsiegler? Eigentlich sollte er sich nach der unsanften Behandlung durch die Greifer ins Koma getrunken haben und noch im Bett liegen!
    Einen Augenblick lang verspürte sie ein seltsames, schuldbeladendes Gefühl der Erleichterung. Wenn der Blutsiegler kam, würde sie heute keine Möglichkeit zur Flucht haben. Dann könnte sie schlafen. Hatten Hurli und Yil ihn etwa nicht verprügelt? Shai war sich sicher gewesen, dass sie die beiden richtig gelesen hatte, und …
    … und sie erkannte, dass sie in ihrer Müdigkeit die falschen Schlüsse zog. Nun stand die Tür ganz offen, und jemand trat ein. Es war nicht der Blutsiegler.
    Es war Hauptmann Tzu.
    » Raus!«, bellte er die beiden Wächter an.
    Sie setzten sich sofort in Bewegung.
    » Ihr habt für heute frei«, sagte Tzu. » Ich bleibe bis zum nächsten Wachwechsel hier.«
    Die beiden salutierten und gingen. Shai fühlte sich wie eine verwundete Elchkuh, die von der Herde zurückgelassen wird. Die Tür schloss sich mit einem Klicken, und Tzu drehte sich langsam zu ihr um.
    » Der Stempel ist noch nicht fertig«, log sie. » Daher kannst du …«
    » Er muss nicht fertig sein«, sagte Tzu und verzog die dicken Lippen zu einem breiten Grinsen. » Ich glaube, ich habe dir vor drei Monaten etwas versprochen, Diebin. Wir beide haben noch eine … offene Rechnung.«
    Es war nicht sehr hell im Zimmer; die Kerze war fast heruntergebrannt, und der Morgen brach gerade erst an. Shai wich vor Tzu zurück und überdachte rasch ihre Pläne. Das hatte sie nicht vorhergesehen. Einen Kampf gegen Tzu konnte sie nicht gewinnen.
    Ihr Mund bewegte sich unablässig, was ihn ablenkte. Im Stegreif entwickelte sie eine neue Rolle für sich. » Wenn Frava herausfindet, dass du hergekommen bist«, sagte Shai, » dann wird sie sehr wütend sein.«
    Tzu zog sein Schwert.
    » Dunkle Nacht!«, rief Shai und wich zum Bett zurück. » Tzu, das musst du nicht tun. Du darfst es nicht tun. Ich bin mit meiner Arbeit noch nicht fertig!«
    » Jemand anderes wird deine Arbeit beenden«, sagte Tzu höhnisch. » Frava hat einen weiteren Fälscher. Du hältst dich für so schlau. Vermutlich hast du dir für morgen einen wunderbaren Fluchtplan zurechtgelegt. Doch diesmal sind wir es, die zuerst zuschlagen. Das hast du nicht vorhergesehen, Lügnerin, oder? Ich werde es genießen, dich zu töten. Ich werde es so sehr genießen.«
    Er stach mit dem Schwert auf sie ein, seine Spitze riss die Seite ihrer Bluse auf. Shai sprang zur Seite und rief um Hilfe. Sie spielte noch immer ihre Rolle, aber sie brauchte sich nicht zu verstellen. Ihr Herz raste, Panik stieg in ihr hoch, als sie um das Bett herum taumelte und es zwischen sich und Tzu brachte.
    Er grinste breit, stürmte auf sie zu, sprang auf das Bett.
    Es brach sofort zusammen. Als Shai in der Nacht unter das Bett gekrochen war und ihre Notizen zusammengesucht hatte, hatte sie das Holz des Gestells so gefälscht, dass es nun schwere Schäden aufwies; es war von Insekten befallen und nachgiebig geworden. Die Matratze hatte sie mit tiefen Rissen versehen.
    Tzu blieb kaum noch Zeit, einen Schrei auszustoßen, als das Bett vollkommen unter ihm

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