Die Seele des Königs (German Edition)
wieder um.
Sie wartete auf eine Erklärung. Ich gab ihr keine.
» Was wollen Sie mit dieser Kamera anstellen?«, fragte ich. » Natürlich vorausgesetzt, dass es sie wirklich gibt, wovon ich noch nicht überzeugt bin.«
» Es gibt Hunderte von Anwendungsmöglichkeiten«, sagte Monica. » Gesetzesvollstreckung … Spionage … die Wahrheit über historische Ereignisse herausfinden … die Frühzeit des Planeten für die Wissenschaft dokumentieren …«
» Alte Religionen vernichten …«
Sie hob eine Braue und sah mich an. » Sind Sie wirklich ein religiöser Mensch, Mister Leeds?«
» Ein Teil von mir, ja.« Das war die Wahrheit.
» Dann lassen Sie uns einmal annehmen, das Christentum wäre nichts als ein Betrug«, sagte sie, » oder vielleicht eine Bewegung, die von wohlmeinenden Menschen begonnen wurde, aber über jegliche Verhältnismäßigkeit hinausgewachsen ist. Wäre es nicht sehr hilfreich, das aufzudecken?«
» Das ist kein Argument, auf das ich eine Antwort geben kann«, sagte ich. » Da müssen Sie mit Tobias reden. Er ist hier der Philosoph. Aber ich glaube, er hält gerade ein Nickerchen.«
» Im Gegenteil, Stephen«, sagte Tobias und beugte sich von hinten zwischen unsere Sitze. » Ich bin sogar sehr begierig auf dieses Gespräch. Übrigens beobachtet Stan unsere Route. Er sagt, vor uns liegt unruhiges Wetter.«
» Sie sehen gerade etwas an«, sagte Monica.
» Ich sehe Tobias an«, erklärte ich. » Er will das Gespräch fortsetzen.«
» Kann ich mit ihm reden?«
» Ich vermute, das können Sie – durch mich. Aber ich muss Sie warnen. Ignorieren Sie alles, was er über Stan sagt.«
» Wer ist Stan?«, fragte Monica.
» Ein Astronaut, den Tobias hören kann und der angeblich die Welt in einem Satelliten umkreist.« Ich blätterte um. » Stan ist im Wesentlichen harmlos. Er macht für uns die Wettervorhersage und Ähnliches.«
» Ich … verstehe«, meinte sie. » Stan ist ein weiterer Ihrer besonderen Freunde?«
Ich kicherte. » Nein. Stan ist nicht real.«
» Sie haben doch gesagt, dass das keiner von ihnen ist.«
» Das stimmt. Es sind meine Halluzinationen. Aber Stan ist etwas Besonderes. Nur Tobias kann ihn hören. Tobias ist schizophren.«
Sie blinzelte überrascht. » Ihre Halluzination …«
» Ja?«
» Ihre Halluzination hat Halluzinationen?«
» Ja.«
Sie lehnte sich zurück und wirkte sehr verwirrt.
» Sie alle haben ihre Eigenheiten«, sagte ich. » Ivy ist trypophobisch, allerdings hat sie es meistens unter Kontrolle. Aber nähern Sie sich ihr bloß nicht mit einem Wespennest in der Hand. Armando ist ein Megalomane. Und Adoline ist zwangsneurotisch.«
» Bitte teile ihr mit, Stephen«, sagte Tobias, » dass ich der Meinung bin, dass Razon ein sehr tapferer Mensch ist.«
Ich wiederholte seine Worte.
» Und warum?«, wollte Monica wissen.
» Wer zugleich Wissenschaftler und religiös ist, erschafft in sich selbst einen brüchigen Waffenstillstand«, sagte Tobias. » In der Wissenschaft geht es darum, nur das als Wahrheit anzusehen, was bewiesen werden kann. Im Glauben hingegen wird die Wahrheit als unbeweisbar angesehen. Razon ist ein tapferer Mann, weil einer von den beiden Bereichen, die ihm lieb und wert sind, unterliegen muss, egal wie seine Entdeckung ausfallen wird.«
» Er könnte ein Eiferer sein«, erwiderte Monica. » Vielleicht marschiert er blindlings voran und versucht die endgültige Bestätigung dafür zu finden, dass er schon immer recht gehabt hat.«
» Vielleicht«, sagte Tobias, » aber der wahre Eiferer braucht keine Bestätigung. Der Herr würde für ihn Bestätigung genug sein. Nein, ich sehe hier etwas anderes. Ein Mensch versucht, Wissenschaft und Glauben in Einklang zu bringen; vielleicht ist er der erste in der ganzen Geschichte der Menschheit, der tatsächlich einen Weg findet, die Prinzipien der Wissenschaft auf die letzten Wahrheiten der Religion anzuwenden. Das erachte ich als sehr edel.«
Tobias lehnte sich wieder zurück. Ich blätterte die letzten Seiten des Buches durch, während Monica nachdenklich dasaß. Als ich fertig war, stopfte ich das Buch in die Tasche des Sitzes vor mir.
Jemand brachte die Vorhänge zum Rascheln und trat von der Economy-Klasse in die erste Klasse. » Hallo!«, sagte eine freundliche weibliche Stimme, die den Gang hinunter drang. » Ich habe zufällig gesehen, dass bei Ihnen noch ein Platz frei ist, und da habe ich mir gedacht, Sie lassen mich vielleicht hier sitzen.«
Es war eine rundgesichtige,
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