Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seele des Ozeans (German Edition)

Die Seele des Ozeans (German Edition)

Titel: Die Seele des Ozeans (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
Vom Netzwerk:
existierte.
    „Warum? Wann?“
    „Heute Nacht. Und ich habe nicht vor, zurückzukommen.“
    Ein endlos langes Schweigen klaffte zwischen ihnen, in dem die Bedeutung seiner Worte nur tropfweise in ihr Gehirn gelangte.
    „Warum sagst du das?“, brachte sie endlich hervor. „Bedeutet dir das hier denn nichts? Bedeute ich dir nichts?“
    „Fae …“ Er senkte gequält den Blick. „Niemand hat mir je mehr bedeutet als du. Nichts hat mich je glücklicher gemacht als du.“
    „Warum willst du mich dann verlassen?“
    „Du weißt, warum.“
    Ja, sie wusste es. Das Fremde. Die Gefahr, die in ihm lauerte. Ja, verflucht, aber sie war nicht bereit, ihn deshalb aufzugeben.
    „Du kannst es kontrollieren, Kjell. Du warst im Hafen stärker, du warst vorhin stärker. Jeder hat eine Seite in sich, die er fürchtet. Auch jeder gewöhnliche Mensch. Unsere Aufgabe ist es, dagegen zu kämpfen und uns für die richtige Seite zu entscheiden.“
    „Das ist es ja.“ Kjell sah auf das finstere, aufgewühlte Meer hinaus. Sein Körper schimmerte in der Dunkelheit wie Elfenbein. Makellos, aber auch hart und kalt. Er war ebenso unnahbar wie die See, ebenso unberechenbar und unbegreiflich. Daran würde sich niemals etwas ändern.
    „Das Wilde in mir“, flüsterte er, „das Tier, das nach Seelen hungert … das ist es, was sich richtig anfühlt. Es ist meine wahre Natur. Ich spüre es, ich weiß es. Die Zeit, in der ich zur Hälfte menschlich war, ist vorbei. In den ersten Jahren nach meiner Verwandlung saht ihr völlig gewöhnlich für mich aus. An euch war nichts Besonderes. Aber irgendwann habt ihr euch verändert, oder besser gesagt: Ich veränderte mich. Eure Körper waren nicht länger nur aus Haut und Fleisch, sie strahlten auch ein Licht ab. Ein unsichtbares, aber spürbares Licht. Es ist warm und wunderschön, ganz gleich, ob ein Mensch gut oder grausam ist. Es ist eure Seele, die ich spüre. Eure Lebenskraft. Ich habe mich so oft gefragt, warum ich sie wahrnehme, und als ich dich am Hafen küsste, wusste ich auf einmal, warum.“
    Als Kjell schwieg, wehte wieder und wieder ein einziges Wort durch ihre Gedanken: Nahrung.
    „Ich kann dir den Hunger nicht beschreiben“, fuhr er langsam fort. „Es ist, als würde ich erfrieren, und du bist das Feuer, das mich rettet. Als ich dich berührte, konnte ich fühlen, wie deine Wärme in mich hineinfloss. Es fühlte sich so gut an. Besser als alles, was du dir vorstellen kannst. Es fühlte sich für einen Augenblick richtig an. Verstehst du? Als wäre es meine einzig wahre Natur, mich so von dir zu ernähren. Hätte ich dich länger berührt, wärst du erloschen. Ich hätte dir alle Wärme, alle Lebenskraft gestohlen. Vielleicht sogar deine Seele.“
    „Aber du hast es nicht getan. Du warst stärker.“
    „Weil es gerade erst beginnt, Fae.“
    „Nein!“ Sie richtete sich auf und zog ihn mit sich. Ihre Finger krallten sich in seine Schultern. „Nein! Ich will beide Seiten von dir! Ich will dich! Das ist nicht nur deine Entscheidung, es ist auch meine. Wenn du auf das Meer hinausfährst, akzeptierst du nicht nur seine sanfte, stille Seite. Du fährst in dem Wissen hinaus, dass es wild und gefährlich ist, dass es dein Schiff verschlingen kann und unberechenbar ist. Aber gerade diese beiden Gegensätze machen das Meer aus. Gerade das lässt es uns lieben und weckt unsere Sehnsucht.“
    „Ich weiß.“ Er lehnte seine Stirn gegen ihre. „Aber ich muss trotzdem gehen.“
    „Warum?“ Sie fuhr zurück und verpasste ihm einen wütenden Schlag gegen die Schulter. „Erst rettest du mich, verdrehst mir den Kopf, bescherst mir die schönsten Momente meines Lebens, machst mich überglücklich und sagst mir anschließend, dass du mich verlassen musst? Nachdem wir … nachdem wir das erste Mal … verdammt, vielen Dank auch. Dann hättest du mich auch sterben lassen können.“
    Kjell seufzte. Sein verzweifelter Blick ging ihr durch Mark und Bein. „Ich habe Angst um dich.“
    „Ach, hör auf damit. Immerzu diese Angst. Alle haben Angst vor irgendetwas, das meistens nie passiert. Die ganze Welt ist voll mit Angst. Wie viel vom Leben verpassen wir, weil wir Angst haben? Verschone mich damit. Denke an den Tag gestern. War daran irgendetwas falsch? Oder denke an das, was wir gerade getan haben. Würdest du nicht gerne mehr davon erleben?“
    „Ja“, gab er leise zu.
    „Dann hör auf, Angst zu haben. Bitte! Lass es einfach zu.“
    Kjell seufzte erneut. Als er sie wieder ansah, war sein

Weitere Kostenlose Bücher