Die Seele heilen
größer und bedrohlicher werden. Doch auch die Tage waren furchtbar, denn ich fühlte nur noch meine Mutlosigkeit, die Sorge um unsere Familie und meine eigene Schuld. Mich schmerzte meine Unfähigkeit, im Alltag zu bestehen. Ich hatte mein Leben und Denken nicht mehr im Griff. Und weder meine Anstrengungen, mich zusammenzureißen, noch alle guten Ratschläge oder auch Vorwürfe meiner Mitmenschen konnten mir helfen, denn ich litt unter einer akuten schweren Depression.
PROF. HIMMERICH
In der akuten Depression
Unter einer »akuten« Depression versteht man in der Psychiatrie und Psychotherapie, dass aktuell eine depressive Symptomatik vorliegt. Im Gegensatz zur »akuten« Depression gibt es die »remittierte« Depression, wenn sich die Symptomatik gebessert hat. Der Begriff »akut« sagt jedoch nichts darüber aus, ob eine leichte, mittelgradige oder schwere depressive Phase vorliegt.
Wie bereits im Kapitel »Depression – was ist das?« ausgeführt, besteht eine behandlungsbedürftige akute Depression, wenn zwei Wochen oder länger zwei der depressiven Kernsymptome vorliegen ( siehe dazu auch [→] ):
Eine länger anhaltende niedergedrückte Grundstimmung, die sich auch durch positive Erlebnisse nicht bessert; dieser Zustand ist wesentlich für die Depression. Die betroffenen Menschen sehen alles schwarz, sie fühlen sich niedergeschlagen, traurig, hoffnungslos, verzweifelt und bedrückt und sie weinen häufig. Ihre Gedanken sind geprägt von negativen Inhalten, etwa »Wir sind ruiniert« oder »Wir schaffen es nicht«, wie bei Frau Dr. Wehner-Zott.
Ein reduzierter Antrieb im Sinne einer raschen Ermüdbarkeit und verminderter Aktivität; depressive Menschen strengt alles enorm an, und sie sind schnell erschöpft und müde. Was sie in gesundem Zustand mit links erledigen, scheint ihnen in der Depression als unerfüllbare Aufgabe, als ein Berg, den sie nicht bezwingen können. Sie sind passiv und können sich zu nichts aufraffen, ihnen fehlt jeglicher Schwung. Bei manchen Betroffenen zeigen sich aber auch gegenteilige Symptome. Sie fühlen sich getrieben und rastlos und können nicht still sitzen. Diese Symptome wies auch Frau Dr. Wehner-Zott auf.
Freud- und Interesselosigkeit; Menschen in einer Depression können keinerlei Freude mehr empfinden und jegliches Interesse an ihrer Umwelt ist ihnen abhanden gekommen. Sie können keine Ziele mehr verfolgen. Hinzu kommt in der akuten depressiven Phase häufig ein Gefühl der inneren Leere und Gefühllosigkeit, sodass die Betroffenen sich nicht mehr als traurig, sondern als versteinert oder innerlich abgestorben erleben.
In einer akuten Phase liegen außerdem auch noch zwei oder mehrere Zusatzsymptome ( siehe [→] ) vor. Die häufigsten sind:
Schuldgefühle: Die Betroffenen leiden unter der – vermeintlichen – Gewissheit, große Schuld auf sich geladen zu haben. Sie sehen eigene Fehler und ihren Schuldanteil an bestimmten Situationen übertrieben groß. In diesem Zusammenhang taucht auch häufig der Gedanke auf, gesündigt zu haben oder – so zum Beispiel bei Frau Dr. Wehner-Zott – die Angst zu verarmen. Diese Gedankeninhalte und Ängste können sich bis zu einem depressiven Wahn steigern, das heißt, die – unrealistische – persönliche Überzeugung steigert sich bis zur absoluten unumkehrbaren Gewissheit, die mit dem eigenen Untergang verknüpft wird.
Vermindertes Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl: Depressive Menschen fühlen sich häufig wert- und nutzlos, sie trauen sich nichts mehr zu und rechnen sicher und grundsätzlich mit dem eigenen Versagen. Ihre tatsächlich vorhandenen Fähigkeiten können sie nicht mehr realistisch einschätzen und sie glauben, dass ihnen nichts mehr jemals wieder gelingen wird. Die Folge davon ist, dass die Betroffenen sich als wertlos und nicht liebenswert empfinden.
Suizidgedanken: Insbesondere bei schweren Depressionen entwickeln die Betroffenen den Wunsch, zu sterben, und/oder tragen sich mit dem Gedanken, sich selbst das Leben zu nehmen, um der unerträglichen Situation zu entgehen. Die Todessehnsucht äußert sich meist in dem Wunsch, einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen. Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit treiben depressive Menschen auch dazu, konkrete Pläne für einen Suizid zu schmieden (von lateinisch sui caedere = sich selbst töten) und auch entsprechend zu handeln.
Was tun bei depressiven Symptomen?
Wenn Sie eine Reihe depressiver Symptome bei sich feststellen ( Selbsttest [→] ), sollten Sie Ihren
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