Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
auffgepaßt, daß ich nit zu sparsam bin mit meins Onkels Geld. Ich versteh mich gut mit ihme, er ist ein lustiger Kerl und immer zu Späßen auffgelegt.
Meine Thea, laß Dir nun von einem Ausflugk ertzähln, den ich mit der gantzen Familie neulich gemacht hab. Wir haben uns gar fein auffgeputzt und sind des Sonntags nach Haarlem gefahrn, einer Nachbar-Stadt, die mit Ambsterdam durch einen groszen Kanal verbunden ist. Wir fuhrn zwey Stund auf einem gantz grün angestrichenen Schlepp-Kahn, eher flach wie ein Floß, mit einer Hütten in der Mitte. Zwei kräfftige Pferd zogen ihn, die trabten vorneweg am Uferpfad. Dies Haarlem ist umbgeben von grünen Gärtten, so weyt das Auge sehn kann. Und was glaubst Du, was in vilen dieser Gärtten wächst? Nit Gemüs oder Grünfutter fürs Viehe oder Obst-Bäum, nein, nur eine Blume!
Tulband heißet sie, und die Leutt hier sind gantz verrückt darnach. In Persien wird sie lang schon verehrt als heilig, sie giltt als Abbild der vollkommenen Schönheyt, Sinnbild der Ewigkeyt und der Lieb. Die roten Blüthen sind offt unten schwartz, was zeiget, daß das Herz der traurigk Liebenden zu Kohle verprennt ist. Aber es gibt nit nur rote, sondern auch andre Farben. Die einfarbigen Tulband sind nit so begehrt, aber die vierfarbigen buntten, die nennet man Marquetrinen. Davon gibt es so vile Sortten, daß man sich gar nit mehr auskennt. Ich hab im Frühjahr, wenn sie plühen, etliche gesehn, sie sind von nie gekannter Farben-Pracht.
Man kann diese Tulband nit züchten wie andre Blumen. Sie haben eine Zwibel, und jedes Jahr hat dieße ein oder zwey Brutzwibeln. Nie weiß man, ob auß der neuen Zwibel eine neue Farb hervorgehet, es ist einfach nur Zufall. Wenn man eine neue Tulban-Sortte haben will, so kann man nur wartten, und es kann auch zehn Jahr dauern. Deshalb sind selttene Sortten so theuer, daß man es kaum glauben kann. Eine Zwibel davon kann hundertt Gulden kosten, stell Dir nur vor, und das für eine Blume, die gar keinen Nutzen außer ihrer Schönheit hat! Man sagt, heuer habe ein Müller seine gantze Mühle für eine eintzige Tulban der Sortte »Mère Brune« hergegeben, und ein Brauer seine Brauerey für eine »Braßerie«. Eine Freundin von Aaltje hat zur Hochzeyt als eintzige Mit-Gifft die Zwibel einer newen Rosentulban bekommen – ihr Bräuthigam war darob über-glücklich! Aber das ist noch nit alles. Die kostbarste Tulban heißet »Semper Augustus«, die ist weiß mit roten Flammen, davon gibt es kaum ein Duzend. Eine Zwibel kost mehr denn thausend Gulden! Man nimbt diese Tulban-Zwibeln gleich wie Geldt und kann damit gantze Häuser kauffen! Der Pieter hat ertzält, daß der erste, der hierzulandt Tulban gepflanzet hat, ein Apothecker war mit Namen Walich Ziwertszoon. Er sagt auch, daß alle reichen Leutt Tulban-Gärtten haben, der größte davon liget mitten in Ambsterdam und gehört Gilelmo Bartholotti van de Heuvel, dem wichtigsten Ost-Indien-Händtler. Und ein anderer Kauffman, Adriaen Pauw, hat in seinem Gartten ein Spiegel-Cabinett, das sein Tulban-Beet wie ein rießiges, herrliches Blüten-Meer aussehn lässet. Man rechnet den Tulban auch geringe Heil-Kräffte zu; ein Absud mit Rot-Wein soll gegen ein steiffs Genick helffen. Villeicht kann ich etliche Zwibeln von billigen Sorthen kauffen und heimb schicken.
Liebste Thea, ist daheimb das Hexen-Hauß denn immer noch voll? Ich weiß schon, ihr alle schreibet mir nie darüber, weill Ihr mich nit verletzen wollt. Das tut nit noth. Mir scheinet alles nur noch wie ein bößer Traum, an den ich nur noch denck, wenn ich im Spiegel meine kurtzen Locken seh. Ich frag Euch, weiln der Antoni immer öffters sagt, daß er heim will. Ich soll Euch auch alle von ihme grüeßen.
Meine guthen Wünsch sind mit Dir, und ich bitt Dich, denck gar offt an Deine
Johanna
Geschriben zu Ambsterdam, den Dinstag Egidy ao. 29
Bamberg, Oktober 1629
Hans Schramm spazierte gemächlich über den Grünen Markt und hielt zwischen den Buden und Verkaufsständen Ausschau nach einem Pastetenkrämer. Hungrig war er, und er hatte sich sein Mittagessen redlich verdient. Seit Tagesanbruch hatte er im Malefizhaus gesessen und Protokoll geführt, hatte den Gestank von Blut und Schwefel, von Schweiß und Erbrochenem einatmen müssen. Er kannte alle Gerüche, die von den Unholden abgesondert wurden, sogar den Geruch der Angst nahm er wahr, eine interessante Mischung aus süßlich und bitter, die aus den Poren quoll. Am widerlichsten war, wenn unter der Folter
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