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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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die Gedärme der Delinquenten sich entleerten. Das bereitete ihm manchmal Übelkeit. Aber ein bisschen frische Luft half meist schnell, so wie heute.
    Schramm dachte über den Verlauf des Vormittags nach und schüttelte leicht angeekelt den Kopf. Wie viele solch verfluchter Weiber gab es eigentlich noch in der Stadt? Es stimmte wohl, das Weib an sich war böse. Sie war Trägerin der Erbsünde, hatte der Schlange im Paradies nur allzu bereitwillig nachgegeben. Sie war gierig, ja süchtig nach fleischlicher Lust, unersättlich, bereit, alles hinzugeben für schmutzige Vermischung. Was erzählten die Hexen nicht alles: Nachts sei der Satan in ihr Bett gekommen, als Incubus, und habe mit ihnen Verkehr gepflogen, wie die Tiere, in unchristlicher Art und Weise. Doch die Geilheit der Hexen wurde jedes Mal enttäuscht: Das Glied des Teufels war kalt und garstig, und so dick, dass es eine Qual bereitete. Die Hexen konnten kein Vergnügen dabei empfinden. Auch bewegte sich der Incubus so hart, missgeschicklich und ungelenk auf ihnen, dass ihnen alle Knochen wehtaten und sie ihr Werk schon beim Tun bereuten. Doch hatten sie den Samen Luzifers einmal in sich gehabt, dann gab es kein Entrinnen. Sie mussten die höllische Beiwohnung dulden, mussten sich wieder und wieder beschlafen lassen, waren für immer als Druden verdammt. So viele Frauen hatte Schramm schon im Hexenhaus dieses oder ein ähnliches Geständnis ablegen hören. Gab es überhaupt eine, die rein war? Die zufrieden dem Manne untertan war, ohne sich nach dem Teufel zu sehnen? Die einsah, dass die Herrschaft des Ehemannes über sein Weib der Herrschaft Gottes über die Christenheit gleichkam? Die gottesfürchtig und gläubig, ohne Ehrgeiz und Arg ihre Pflichten erfüllte, Kinder großzog, das Haus versorgte? Die keine Widerworte kannte, kein Gekeife, keinen bösen Gedanken? Schramm sah all die Frauen an, alte und junge, die seinen Weg über den Grünen Markt kreuzten, und in allen glaubte er Verderbtheit zu erkennen, Bösartigkeit und Verrat.
    Endlich entdeckte er einen Bauchladner, der frisch gebratene Krautwürste auf Schwarzbrot feilbot. Er kaufte zwei davon und aß sie gleich aus der Hand. Anschließend schlug er den Weg zur nächsten Wirtschaft ein; er war durstig, und Krautwürste wollten schließlich in Bier schwimmen. Doch dann entschied er sich anders. Das Bier würde ihn müde machen, und am Nachmittag stand noch eine weitere Befragung an. Also ging er zum Brunnen.
    Und dort sah er sie.
    Ein junges Mädchen mit langem hellblonden Engelshaar, klein und zierlich, mit Äpfelchen als Brüsten, Herzlippen und einem silberhellen Lachen, das wie Schellenklang über den Marktplatz flatterte. Die Arme weit ausgestreckt, lief sie im Zickzack einem vielleicht dreijährigen Jungen hinterher, der quietschend hinter einer Gemüsebude verschwand. Sie hüpfte ihm nach – es war fast wie ein Tanz –, griff nach ihm, doch er entwand sich ihr, entwischte und versteckte sich unter dem Marktstand. »Wart nur, du kleiner Ratz, ich krieg dich!«, rief das Mädchen, da schoss der kleine Bursche wie der Blitz neben der zeternden Gemüsefrau hervor und flitzte zum Brunnen. Wieder dieses glockenklare Lachen, dann rannte das Mädchen in der anderen Richtung um den Schönen Brunnen herum, um ihm den Weg abzuschneiden. Schramm, der gerade trinken wollte, richtete sich auf, und in diesem Augenblick prallte sie gegen ihn.
    Erschrocken blickte sie zu ihm auf. Sie ging ihm gerade bis zur Schulter. Er sah, dass ihre Augen von rehbrauner Farbe mit grünen Einsprengseln waren, strahlend unter einem dunklen Wimpernkranz und feinen blonden Brauen. Er hielt sie an den Ellbogen, damit sie nicht fiel.
    »Oh, verzeiht!«, sagte sie atemlos, »ich war unvorsichtig.«
    Schramm schluckte. »Habt Ihr Euch wehgetan?«
    Sie lächelte. »Nein. Und Ihr?«
    »Oh, aber wo!« Er verschlang sie mit den Augen. Diese Unschuld, diese gerade erst erblühte Weiblichkeit. Verlegen stellte er fest, dass er sie immer noch hielt, und nahm schnell seine Hände von ihr. »Ist das Euer kleiner Bruder?« Er deutete zum Brunnen, wo der Junge unschlüssig stand und die beiden beäugte.
    »Nein, der Nachbarsbub, ein rechtes Quecksilber. Ich passe jeden Nachmittag auf ihn auf.«
    »Und wer seid Ihr?«
    »Die Maria Dietmayer.« Sie machte zu seinem Entzücken einen kleinen koketten Knicks.
    »Die Tochter vom Bürgermeister? Ich kenn Euch gar nicht.«
    Sie legte den Arm um den Nachbarsjungen, der sich jetzt an sie schmiegte.

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