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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Wundärtzt hier, in den Ober-Arm geschnitten und dißen an die Naße hin genähet, sodaß der arme Mann immer mit hochgehobenem Arm gehen mußt. Alß nach etlich Wochen die Haut angewachsen war, schnitt der Chirurgus den Arm wieder vom Gesichte weg und machte auß dem Haut-Lappen ein Zipffel, so daß es jetzt faßt wieder aussiehet wie eine Naße. Das weiß ich, weiln der Chirurgus seine Artzeney bei Onkel Maurits in der Apothecken kaufft und er seinen Patienten mehrmalß mit gebracht hatt.
Aber es gibt auch vil Scharlatan in der Stadt, die nit heilen, sondern alle Kranckheyt schlimmer machen. Und noch nie hab ich so vil Wurtzel- und Theriack-Krämer gesehen, die frech herumb lauffen und die Leutt billiglich bescheißen. Und falsche Wundt-Ärtzt. Neulich hab ich dabey gestanden, wie ein Schwindler einem Mann weis gemacht hat, sein Zahnschmertz käm von kleynen Würmern, die in dem wehen Zahn sitzen. Er hat mit einer prennenden Kugel aus Pech und Theer dem Ärmsten den Mundt außgeräuchert. Alß der Mann vom Qualm die Augen schloß, steckte er ihme schnell zwey wintzige Würmlein in den Mundt, die er gleich darauff mit großem Spektackel wieder hervor zog und herumzeigte. So vil Betrug ist in der Weltt!

Bamberg, August 1629
    Lasst mich durch!« Friedrich Förner stieß die Wachen am Eingangstor zum Geyerswörth rüde zur Seite und stürmte mit wehendem schwarzen Rock durch den Innenhof. Das Dienstvolk wich ihm ängstlich aus, als er mit verbissener Miene, die Augen zu schwarzen Schlitzen verengt, über das Pflaster lief, den fürstlichen Wohnflügel betrat und die Treppen hochstapfte. Auf die, die ihn nicht kannten, hätte er in seiner Wut beinahe lächerlich gewirkt, ein dürres, ziegenbärtiges Zwerglein, das sich alle Mühe gab, gefährlich auszusehen. Aber die Leute hier wussten, dass der Weihbischof in seinem Zorn alle Christlichkeit vergessen konnte, und duckten sich vor ihm wie unter den Schlägen einer Knute.
    Georg Fuchs von Dornheim saß gerade beim Mittagessen. Seit seinem nächtlichen Anfall vor vier Monaten hatte er zugenommen. Es schien, als ob er seine immer wiederkehrende Angst mit Essen beschwichtigen wollte; nur dann ging es ihm vermeintlich gut, wenn er seinen prallen Bauch füllen konnte. Wie meistens speiste er mittags alleine; vor ihm hatte man eine üppige Tafel gedeckt: gespickter Rehrücken, Forellensülze, saures Zwiebelgemüse und etliche Süßspeisen, die er besonders gern aß. Hinter Dornheim stand wie eine schwarze Statue der Mohr, dessen Aufgabe es war, vom Wein nachzuschenken, und das hatte er bereits ausgiebig getan.
    Der Fürstbischof langte gerade nach einem knusprigen Rosinenspitz, als Förner die Tür aufriss und mit schnellen Schritten bis direkt vor den Tisch trat. »Entschuldigt, Eminenz, aber die Nachricht, die ich bringe, duldet keinen Aufschub.«
    Dornheim verzog das Gesicht und ließ den Rosinenspitz fallen, als habe er sich daran die Finger verbrannt. »Du liebe Güte, Förner, das sagt Ihr immer! Dabei wisst Ihr genau, dass Aufregung während des Essens meinem Magen gar nicht guttut.« Er gab Caspar ein Zeichen, der ihm daraufhin Handtüchlein und Wasserschale hinhielt.
    Förner wartete gar nicht erst ab, bis sich der Fürstbischof die Finger gewaschen hatte. »Eminenz«, sagte er mit mühsam unterdrückter Wut in der Stimme, »ich habe soeben ein Schreiben meines Gewährsmannes in Speyer erhalten. Man teilt mir darin mit, dass etliche Bamberger Bürger eine schriftliche Beschwerde gegen die Hexenprozesse eingereicht haben und ein Mandat erwirken wollen.«
    Dornheims Backen erschlafften, seine Hände verharrten in der Schwebe über dem Wasserbecken. »Sie wagen es ein zweites Mal, diese Hundfötte!«, murmelte er und winkte den Mohren weg. Mit dem eher verzweifelt als hoffnungsfroh wirkenden Anflug eines Lächelns sah er den Weihbischof an. »Aber was regt Ihr Euch auf? Es hat doch schon beim ersten Mal nicht funktioniert.«
    »Beim ersten Mal war es ein Alleingang des Kanzlers, und er war als Hexer verurteilt, bevor das Reichskammergericht sich überhaupt mit der Sache befassen konnte. Diesmal hat ein ganzer Rattenschwanz von angesehenen Bürgern die Petition unterzeichnet, lauter ehrenwerte Leute, die wir schlecht alle auf einmal verhaften lassen können.« Förner hielt es nicht auf der Stelle, er begann, wie ein Wolf im Käfig auf und ab zu gehen.
    Der Fürstbischof sackte förmlich in sich zusammen. Mit seinen dicken, wulstigen Händen bedeckte er das Gesicht. Da

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