Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
willen!« Dorothea schlug hastig ein Kreuz. »Das ist ja schrecklich!«
»Da hast du recht.« Schramm biss hungrig in seinen Wecken. »Man kann es kaum glauben, was für grauenvolle Untaten und Zauberei dort geschehen sind. Alles Teufelswerk! Sie haben den Regen vertrieben, Kühe verhext, dass sie blutige Milch geben, Läuse gemacht und Krankheit verbreitet, den Weinwuchs erfrieren lassen … «
»Und warum musst du dort hin?« Antoni saß mit offenem Mund da, er hatte vergessen zu kauen.
Schramm lächelte ihm zu. »Nun, bei den Verhören muss schließlich jemand mitschreiben, Antoni. Und die Geständnisse der bösen Druden und Drudner brauchen die hohen Herren auch schriftlich. Der Stadtschreiber von Zeil, mein Kollege Schmeltzing, schafft das alles nicht mehr alleine. Deshalb haben sie mich geschickt, um auszuhelfen.«
»Hexen in Zeil?« Abdias Wolff wischte sich die fettigen Hände am Tischtuch ab. »Sind die Leute denn gar nicht gescheiter geworden? Es sind doch schon vor Jahren Druden gejagt worden, ohne dass die Welt besser geworden wäre!«
Antoni wunderte sich. »Hier in der Stadt?«
»Ja«, gab sein Vater zurück. »In Bamberg, Würzburg und anderswo. Es ist noch gar nicht so lange her. Immer wenn Dinge geschehen, die den Menschen nicht in den Kram passen, schreien sie nach Hexen. Dann müssen ein paar arme Schweine dran glauben, bis sich die Sache wieder beruhigt.«
»Ihr redet recht frisch und frei über eine solch ernste Angelegenheit wie Zauberei«, meinte der Schreiber ein wenig beleidigt und nahm einen Schluck Wein.
»Ernst? Das Ganze ist doch lächerlich! Hagel kommt jedes Jahr vor, und Kühe haben oft entzündete Euter, das gibt Blut in der Milch. Läuse hat sowieso jeder, und der Wein verträgt nun mal keinen Frost! Zauberei, pah! Diese Zeiler sind halt doch bloß rückständige Häcker und dumme Bauern.«
Hans Schramm blieb der Bissen im Hals stecken. »Wie könnt Ihr so etwas sagen, Meister Wolff? Ihr solltet sie sehen, diese Zauberinnen, wie sie verstockt alles abstreiten, obwohl ihnen das Blut aus den Fingern springt! Und wie sie schließlich, wenn der Teufel endlich aus ihnen gefahren ist, heulend und zähneknirschend ihre Übeltaten gestehen!«
»Meine Lehrer sagen auch, dass der Teufel sich oft in Verkleidung an die Leute heranmacht, dass sie vom rechten Glauben abfallen und schlimme Sachen tun«, warf Antoni aufgeregt ein. »Und dann fahren sie nachts auf der Ofengabel durch den Schlot aus, hui, mitten durch die Luft! Und sie küssen einem Ziegenbock, das ist nämlich der Teufel, den Hintern, pfui! Und dann müssen sie alles tun, was er ihnen sagt, zum Beispiel dem Fürstbischof den Wein aus dem Keller stehlen und kleine Kinder sieden, bis das Fett flüssig wird und … «
»Toni!« Abdias Wolff schnitt seinem Sohn das Wort ab. »Du musst nicht alles glauben, was dir die Jesuiten auf der Schule beibringen. Ich jedenfalls hab noch keine Hexe gesehen, und mich hat auch noch niemand verzaubert. Also iss jetzt weiter.«
»Aber er hat doch recht.« Hans Schramm legte sein Messer hin. »Genau das geben sie ja zu. Ich war selber dabei, sonst hätt ich’s auch nicht geglaubt. Seid Euch nur nicht so sicher, Meister Wolff! Die brävsten Bürgersweiber, Ehefrauen, Großmütter, denen vorher niemand zugetraut hätte, dass sie einer Fliege etwas zuleide tun, hat man ins Loch eingeholt! Und dann stellt sich heraus, dass es Unholdinnen sind, Teufelsbuhlinnen, die nichts als die Zerstörung unseres christlichen Gemeinwesens und das Unglück guter Christenmenschen im Sinn haben. Es ist widerlich!«
Dorothea war ganz blass geworden. »Und dann werden sie verbrannt?«
Schramm nickte. »Ja. Wenn sie gestanden haben, kommt der Pfarrer und nimmt sie wieder in die Gemeinschaft des Glaubens auf, damit sie als wahre Christen sterben können. Ihr solltet sehen, wie glücklich sie dann sind! Und der Tod im Feuer hat ja auch reinigende Kraft.«
»Wie viele Hexen waren es denn?«, fragte Johanna.
»Waren?« Schramm lachte trocken auf. »Es werden immer mehr! Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viele schon beschuldigt wurden. Die Haare stehen einem zu Berge! Wir fragen die bösen Weiber, wer alles zu ihren gotteslästerlichen Treffen kommt, mit wem sie Zauberei treiben und wer sonst noch zu ihrem scheußlichen Kreis gehört. Erst wollen sie alle keine Namen nennen, aber später, wenn sie dann auf dem Bock sitzen oder im Zug hängen, da werden sie alle geständig. Ganze Familien kommen da in Teufels
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