Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Sie kicherte.
Johanna musste lachen. »Seit du verlobt bist, denkst du immer bloß noch in eine Richtung«, neckte sie. »Aber der wird schon selber entscheiden, wen er nimmt. Außerdem hat er grad andere Sorgen, mit seiner siechen Mutter und dem Vater frisch beerdigt … «
Thea sah ihre Schwester von der Seite an. »Na, du musst’s ja wissen.«
»Genau.« Johanna schüttete ein Schäufelchen Zucker in den Mörser. »Und jetzt sei so gut, hol mir ein paar Zweiglein Pfefferminze aus dem Garten. Das Kopfschmerzpulver für den alten Buckelsmichel im Siechhof muss heute noch fertig werden.«
Sie hatte noch viel zu tun an diesem Tag, doch Cornelius ging ihr lange nicht mehr aus dem Kopf.
Bamberg, Schloss Geyerswörth,
Anfang November 1626
Diesmal ließ ihn der kleine Mohr ein. »Wie befindet Ihr Euch heute, Eminenz?« Cornelius stellte seine Tasche ab und machte eine tiefe Verbeugung. Es war sein achter Besuch beim Fürstbischof, der zweite nach dem Ziehen der Seidenfäden und dem Entfernen des Silberröhrchens. Im Schlafzimmer des Kirchenmannes war das halbe Domkapitel versammelt, lauter ehrwürdige Vertreter des fränkischen Adels, die nun ihr Gespräch unterbrachen, um den Physikus vorzulassen. Einer von ihnen fiel Cornelius auf, ein winziger, spindeldürrer Mann mit Ziegenbart, der als Einziger ganz in Schwarz gekleidet war. Er steckte ein zusammengerolltes Papier in die Tasche seiner Soutane und sah den jungen Arzt mit eigenartig stechendem Blick an.
Fuchs von Dornheim stand vor einem rotglühenden Kohlebecken und rieb sich die Hände über der Glut. Seit seiner Operation hatte er wieder deutlich zugenommen, das pelzbesetzte Wams spannte über seinem prallen Bauch, und die bauschigen Samthosen ließen ihn noch kugelrunder aussehen, als er ohnehin war. Mit seinen hellen Lederstiefeln und dem schweren goldenen Gürtel wirkte er eher wie ein reicher Händler als wie ein Kirchenmann. Mit einem breiten Lächeln drehte er sich um. Dann streckte er die Arme aus, kam auf den jungen Arzt zu, zog ihn mit einem Ruck an sich und umarmte ihn herzlich.
»Ah, der Retter meines Lebens, mein guter Engel, Euch hat der Himmel zu mir geschickt, als ich mit Hiobs Leiden behaftet darniederlag!« Er klopfte dem verdutzten Cornelius kräftig auf den Rücken und schlug ihm dann scherzhaft mit zwei Fingern auf die Wange. »Ihr habt gehalten, was Ihr versprochen hattet, Lob sei Gott in der Höhe.« Er grinste verschmitzt, während Cornelius ob dieses Überschwangs immer noch etwas ratlos dastand.
Dornheim amüsierte sich. »Es geht wieder«, lachte er, »und zwar wie geschmiert!«
»Was geht, Euer Eminenz?«
»Na, das mit den Weibern!« Der Fürstbischof machte eine obszöne Handbewegung und grinste in Richtung seiner geistlichen Kollegen. »Ich bin wieder völlig gesund, ha! Und das verdanke ich Euch, mein Freund! Und natürlich dem da droben!« Er drehte die Augen zum Himmel.
»Das freut mich zu hören.« Cornelius atmete innerlich auf. »Macht Ihr noch jeden Tag Eure Sitzbäder? Und wie ist der Harnfluss?«
Dornheim nestelte an seinem Hosenlatz. »Das könnt Ihr gleich selber sehen.«
Er stellte sich in Positur und urinierte in einen buntbemalten getöpferten Nachtscherben, den ihm der Mohr hinhielt. Kleine Tröpfchen spritzten auf die schwarzen Hände. »Nun, was sagt Ihr? Ein Strahl wie ein Pferd, was?« Unter den Domherren regte sich beifälliges Gemurmel.
Cornelius nahm das Gefäß, schwenkte es und besah sich die klare gelbliche Harnflüssigkeit aufs genaueste. »Kein Gries, kein Blut, keine Trübung. Ich bin zufrieden.«
Bei der anschließenden Untersuchung stellte sich heraus, dass auch die Wundränder gut zusammengezogen waren. Die Narbenbildung hatte begonnen. Es hatte sich keine Urinfistel gebildet, und in der Blase ließen sich keine größeren Wucherungen tasten. Cornelius war erleichtert. Eingriff und Heilung waren vorbildlich verlaufen. Er stand auf. »Eminenz, ich denke, wir können die Behandlung hiermit abschließen. Ihr seid tatsächlich wieder vollkommen genesen.«
»Das will ich meinen, mein Sohn, das will ich meinen. Der Herrgott und alle Heiligen waren mit Euch und mit mir.« Der Fürstbischof zog sich wieder an. »Euren Lohn werdet Ihr draußen von meinem Sekretär bekommen, aber mit Geld allein lässt sich nicht ermessen, was Ihr für mich getan habt. Ich möchte Euch nicht gehen lassen ohne ein Zeichen meines persönlichen Dankes. Sagt, habt Ihr einen Wunsch, den ich Euch erfüllen
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