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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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ergriff sie bei den Schultern und riss sie zu sich herum. Sie starrte ihn an, atemlos und erschrocken. Dann presste er seinen Mund auf ihren. Mit einem unterdrückten Seufzer öffnete sie ihre Lippen, ließ ihn ein, erwiderte die Liebkosung gierig. Voll verzweifelter Leidenschaft drängten sie sich aneinander, hielten sich fest, im Bewusstsein, dass dieser Kuss vielleicht ihr erster und letzter sein könnte.
    Irgendwann machte er sich los. »Der Kahn nach Würzburg wartet«, flüsterte er heiser vor Erregung. Er bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. Dann griff er nach dem Päckchen mit der Fieberrinde. »Ich komme zurück«, versprach er. »So schnell ich kann.«

Langgasser Tor, drei Tage später
    Brrr! Brrr, sag ich! Bleibst du stehn, du bockige alte Schindmähre!« Kircher zog unsanft an den Zügeln, bis der stämmige braune Wallach endlich innehielt und unwillig den großen Kopf schüttelte. Der Karren kam knirschend zum Stillstand.
    »Kutschieren ist nicht grad meine Stärke«, grinste der Jesuit den Torwächter an, der nun näher herantrat. »Und Pferde mag ich auch nicht. Nicht umsonst ist unser Herr Jesus auf einem Esel geritten.« Als ob er verstanden hätte, legte der Gaul die Ohren an, stampfte mit den Vorderhufen und bleckte die Zähne.
    Der Wächter lächelte zurück. »Gelobt sei Jesus Christus, Pater«, grüßte er freundlich. »Wohin des Wegs?«
    »Über Nürnberg nach Ingolstadt, Gott sei’s geklagt«, brummte Kircher und rollte die Augen gen Himmel. »Im Auftrag des Collegiums der Gesellschaft Jesu.«
    Er griff in seine Kutte und hielt dem Torwächter ein zusammengerolltes Stück Pergament hin. Der rollte es auf, las es und prüfte das Siegel. Schließlich reichte er das Schriftstück wieder zurück. »Hört, Pater, ich kann nichts dafür, aber ich darf Euch eigentlich nicht durchlassen. Es gibt da eine Liste … «
    Kircher begann zu schwitzen. Natürlich wusste er, dass sein Name auf der Liste derjenigen Personen stand, die die Stadt nicht verlassen durften. Er hatte darauf gehofft, dass der Wächter ihn nicht kannte. »Ich weiß, ich weiß«, gab er zurück, »aber Pater Thomas, der eigentlich heute fahren sollte, ist plötzlich krank geworden. Das Darmfieber. Inzwischen liegen fünf Brüder damit darnieder. Und die anderen müssen den Schulunterricht halten. Darum hat man mich bestimmt, die Reise zu tun, und ich kann Euch sagen, guter Mann, dass mich dieser Auftrag nicht gerade hoch erfreut hat. Nun, was soll man machen?«, setzte er augenzwinkernd hinzu. »Wenn die da droben etwas beschließen … «
    Der Torwächter kratzte sich unsicher am Hinterkopf.
    »Unser Rector Hamann hat bereits gestern Nachmittag einen Boten zum Fürstbischof gesandt, um ihm zu melden, dass er mich an Pater Thomas’ statt aus der Stadt schicken will.« Kircher versuchte, selbstsicher zu wirken. »Wenn Seine Eminenz etwas dagegen gehabt hätte, wäre seine Antwort längst ins Kolleg gebracht worden. Und dann hätte man natürlich von dieser Fahrt abgesehen. Schließlich besteht zwischen unserem Herrn Fürstbischof und der Gesellschaft Jesu allerbestes Einvernehmen.«
    »Hm.« Der Wächter wirkte nicht sehr überzeugt. »Was habt Ihr da geladen?«, fragte er.
    Kircher schwitzte noch mehr. »Oh«, sagte er und wies auf die vier Fässer, die hinter ihm auf dem Karren standen, »ein Gastgeschenk für die Ingolstädter Brüder. Unser gutes Bamberger Bier, frisch gebraut, ein Getränk des Himmels!«
    Der Mann klopfte mit dem Schaft seines Spießes gegen die Fässer; dem dumpfen Klang nach waren sie alle voll bis zum Rand. »Ich weiß nicht recht«, brummte er. »Wenn ich Euch ohne Genehmigung durchlasse, komme ich in Teufels Küche.«
    Kircher versuchte, ruhig weiterzuatmen. »Mein Sohn«, sprach er schließlich in vorwurfsvollem Ton und blickte den Torwächter streng an, »zweifelst du etwa am Wort eines Kirchenmannes?« Ein Schweißtropfen rann ihm dabei kitzelnd den Rücken hinunter.
    Der Mann druckste verlegen herum. »Äh, nein, natürlich nicht, aber … «
    »Nun, das ist auch gut so«, nickte der Pater zufrieden. »Denn wo kämen wir hin, wenn man einem Gottesdiener nicht mehr trauen könnte, nicht wahr?« Ein bisschen drückte ihn das Gewissen schon bei diesen Worten, aber er tröstete sich mit der Überzeugung, dass der Herrgott seine Worte sicherlich als notwendigen Einsatz für eine gerechte Sache auffassen würde. »Also, lasst Ihr mich nun durch?«
    Der Torwächter kämpfte noch kurz mit sich, dann gab er sich

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