Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
t seim Heer in Teutschland gelandet und stehet schon in Pommern und Brandenburgk. Schon jetzt drohet er an, er werd seine Soldathen bald auf einen »Marsch durch die Pfaffengasse« führen, alßo die großen Bisthümer angreiffen. Geb Gott, daß der katholische Glaube obsiegen mög!
Fünftes Buch
Hall in Tirol, Ende November 1630
Eswar schon empfindlich kalt hier in den Tiroler Bergen, und Pater Kircher fror erbärmlich trotz der dicken Winterkutte und der Lederfäustlinge, die man ihm zu Ingolstadt mitgegeben hatte. Er ritt auf seinem breithüftigen braunen Wallach, der ihm inzwischen beinahe ans Herz gewachsen war, den Inn entlang. Das eisgrüne Wildwasser toste und schäumte; die feine Gischt sprühte dem Jesuiten bis ins Gesicht, sodass an seinem Bart, den Augenbrauen und Wimpern winzig feine Tröpfchen hingen. An den Hängen links und rechts des Inntals war die Schneegrenze deutlich auszumachen; dort droben, vielleicht hundert Fuß höher, begann schon der weiße Winter.
Als die Umrisse der Stadt Hall mit dem hohen Zwiebelturm der Nikolaikirche vor ihm auftauchten, schickte Kircher ein Dankgebet zum Himmel. Gute vier Wochen hatte seine Reise gedauert, und sie war anstrengend genug gewesen. Erst hatte er seine beiden Flüchtlinge zu Nürnberg abgeliefert. Kircher, Flock und Veronika Junius hatten mit so manchem Freund Wiedersehen gefeiert, darunter Abdias Wolff, dem sie schweren Herzens die schlimme Nachricht von der Verhaftung seiner Tochter überbrachten. Dann war Kircher nach Ingolstadt weitergefahren, wo ihn das Jesuitenkollegium auf das gastfreundlichste aufgenommen hatte. Drei Tage lang hatte er sich mit den dortigen Professoren und Brüdern besprochen, bevor er zu Pferd weiter nach Süden aufgebrochen war. Nun lag das Ziel direkt vor ihm.
Hall war eine reiche Stadt, reich durch die Salzgewinnung und den Handel auf dem Inn. Kircher konnte vor sich die langgestreckte Holzleitung aus hohlen Baumstämmen erkennen, mit der die Sole ins Sudhaus geführt wurde, wo man das weiße Gold sott und aufbereitete. Er ritt durchs Tor; der bärtige Wächter begrüßte ihn in einem kaum verständlichen Dialekt und wies ihm bereitwillig den Weg zum Jesuitenkloster, das gleich neben dem Damenstift lag. Dort nahmen ihn die Brüder freundlichst in Empfang und boten ihm erst eine Mahlzeit und dann ein Bett in einer der Gästekammern an. Kircher war so erschöpft von der Reise, dass er sich gleich nach dem Essen hinlegte und in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel. Am Abend, so hatte man ihm versichert, würde er Gelegenheit haben, Adam Tanner zu sprechen.
Er wachte erst auf, als ein junger Mitbruder laut an seine Tür klopfte. »Der ehrwürdige Bruder Tanner erwartet Euch, Pater!«, rief der Novize durch die geschlossene Pforte.
Kircher sprang auf. Es war schon dunkel. Weil er nicht wusste, wo eine Kerze stand, musste er im Finstern erst nach seinen knöchelhohen Lederstiefeln suchen, stolperte dabei in der Kammer herum und richtete nebenbei hastig seine Kutte. Dann ließ er sich durch die spärlich erleuchteten Gänge des Klosters führen. Endlich öffnete ihm der junge Mönch die Tür zu einer geräumigen Eckstube im zweiten Stock.
Drinnen flackerte ein großes Feuer im Kamin und verbreitete wohlige Wärme. Mehrere Röhrenleuchter an den Wänden und auf gusseisernen Ständern sorgten für genug Licht zum Lesen und Arbeiten. Regale voller Bücher und Schriftsachen erweckten den Eindruck, dass es sich hier um eine Gelehrtenkammer handelte, ebenso der riesige Schreibtisch mit Feder und Tintenfass, großen Bögen Papier und einer tickenden Tischuhr mit silbernem Gehäuse. Kircher trat ein.
In einem bequemen Lehnstuhl direkt am Feuer saß zusammengesunken ein hagerer weißhaariger Greis, ganz in das schwarze Habit der Jesuiten gekleidet. Seine Wangen waren eingefallen, die Augen lagen tief in den Höhlen, das rechte Lid halb geschlossen, als sei es vom Schlagfluss getroffen. In dem schmalen Gesicht wirkte die knollige, rotgeäderte Nase riesig, während die Lippen so schmal waren, dass sie an feine Striche erinnerten. Kircher hatte den Eindruck, da sitze ein uralter Mann, obwohl er doch wusste, dass Adam Tanner die sechzig noch nicht überschritten hatte. Aber es war bekannt, dass der große alte Mann der Gesellschaft Jesu in einem kranken Körper gefangen war. Gott sei Dank jedoch war sein Geist immer noch wach und hell wie eh und je.
»Bruder Kircher«, begrüßte er den Besucher mit brüchiger Greisenstimme,
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