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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Toni?«, fragte sie. Ihr kleiner Bruder war in der Zelle zurückgeblieben.
    »Er kommt gleich. Los jetzt.« Cornelius fasste sie bei der Hand.
    So geräuschlos wie möglich tasteten sich die beiden die Treppen hinunter, verließen das Haus und huschten im Dunkeln ein Stück weit weg, bis sie im Schutz eines Kellerabgangs stehen blieben.
    »Warte hier«, sagte er, »und keinen Mucks. Ich bin gleich wieder da.«

    Drinnen stand Toni schon vor der Wachstube. In seiner Hand hielt er ein frisch abgezogenes, zottiges Stück Fell, es stank widerlich nach Ziegenbock. »Ich hab droben vor den Zellen noch ein bisschen Lärm gemacht«, flüsterte er; um seine Mundwinkel zuckte es. Jetzt, wo Johanna draußen war, begann ihm die Sache beinahe Spaß zu machen. »Da, nimm!«, flüsterte er und hielt Cornelius etwas großes, Schwarzes hin.
    »Jetzt«, sagte Cornelius und stülpte das haarige Ding über seinen Kopf, »sorgen wir dafür, dass die Kerle da drin diese Nacht ihr Lebtag nicht vergessen.«
    An dem Talglicht aus der Wandnische zündete er die vier kleinen Pechfackeln an, die er mitgebracht hatte und gab zwei davon an Toni weiter. »Und auf geht’s!«
    Sie stießen die Tür des Wachraums auf und stürmten hinein.

    Die beiden Büttel, die durch die Wirkung des Bilsenkrauts in unruhigem, traumzerrissenem Schlaf gelegen hatten, fuhren benommen hoch. Lautes Gebrüll dröhnte ihnen in den Ohren, Schnaufen und Grunzen, grollendes Röcheln und heimtückisches Zischen. Feuerbälle wirbelten durch die Luft, Funken stoben, Farben tanzten rot, gelb, blau und grün. Rauch erfüllte das Zimmer. Die berauschten Wächter erfasste Panik und Verwirrung. Was war das? War es die Hölle? Der Ältere kreischte schrill und fuchtelte abwehrend mit den Armen, während der Jüngere das Geschehen erst gar nicht erfasste, sich dann aber wimmernd an seinem Vater festhielt. Es stank durchdringend nach Schwefel, die Flammen kamen immer näher. Die beiden stolperten rückwärts bis an die Wand; die Wirkung von Stechapfel und Tollkirsche verstärkte das wilde Schauspiel und ließ sie vor Angst halb wahnsinnig werden. Sie konnten nicht klar denken, nur verschwommen sehen. Und dann, mitten aus den kreisenden, funkenspeienden Feuerbällen, kam ein Wesen auf sie zu, wie sie es noch nie gesehen hatten. Eine Bestie, ein Dämon mit riesigem Kopf, gedrechselten Hörnern, weit aufgerissenem, zähnefletschendem Maul. Das Untier brüllte und tobte, polterte durch den Raum, fuchtelte, drohte, sprang mit kampfbereiten Klauen auf sie zu. Das war kein Trugbild. Es war der Teufel – und er kam sie holen!
    Der ältere Büttel heulte auf, als er die sengende Hitze des Feuers auf seiner Brust spürte. Der jüngere schrie und betete, betete und schrie. Die Droge hinderte sie daran, sich richtig zu bewegen, sie waren unfähig, sich zu wehren, wie gelähmt. Das Monster packte sie an, schüttelte sie, fauchte ihnen ins Gesicht. Die Männer taumelten, fielen hin, kauerten sich schutzsuchend in die Herdnische. Einer schluchzte haltlos, der andere bettelte lallend um sein Leben. Dann war da plötzlich noch ein zweiter, kleinerer Dämon, sprang die Wächter an, zerkratzte ihnen Gesicht und Arme, goss ihnen heißen Schwefel über den Körper.
    »Genug!«, zischte Cornelius, öffnete das Fenster und warf alle vier Fackeln hinaus. »Raus hier!« Er rannte schon.
    Antoni ließ von den Knechten ab und versperrte sorgfältig die Tür des Malefizhauses hinter Cornelius. Er kehrte in die Stube zurück, wo die Wächter immer noch zitternd übereinanderkrochen, versperrte auch hier die Tür von innen und hängte alle Schlüssel wieder an ihren Platz. Dann sprang er behände aus dem Fenster – nicht ohne den Kuhschwanz, den er sich umgebunden hatte, vorher noch einmal um die Gesichter der benommenen Büttel zu schlagen. So schnell er konnte, rannte er zu dem Kellerabgang, wo Johanna und inzwischen auch Cornelius warteten.
    Dann liefen sie schweigend durch die Nacht. Wolken jagten über den Himmel und verdeckten die Sterne. Kein Licht, kein Rauch von Herdfeuern, kein Laut kam aus den Häusern. Nur das Bellen von Hunden und die im Wind knatternden Planen der verlassenen Marktstände begleiteten ihre Flucht. Endlich überquerten sie im Schutz der Dunkelheit den Grünen Markt und erreichten das Doktorhaus.

    »Mein Gott, wir haben’s geschafft!« Cornelius ballte die Fäuste. Er war unendlich erleichtert, konnte es selbst kaum glauben. »Toni, du verschwindest.« Der Junge, der ein kleines

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