Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
Vom Netzwerk:
zutragen, und über diesem haben wir alle faßt vergeßen, daß die Schweden immer näher heran marschirt sindt. Alß dann immer mehrer versehrte Landtsknecht, Leutt auf der Fluchtt und desertirte Soldathen durch die Stadt kommen sindt, haben wirs schon noch mit der Angßt bekomen. Die Schweden, hat’s überall geheyßen, die laßen keins am Leben! Wenn die erst in der Stadt sindt, gehörn wir alle der Katz!
Item heut wißen wir, daß Bambergk mehr elende, arme Menschenkinder durch das Feuer verlorn hat alß durch den Kriegk. Sindt die Wege des Allmechtigen nit unbegreyflich, daß schließlich niemands anders denn die ungläubigen Protesthanten dem Irrweg der Hexenbränd ein End machen haben dürffen? Warumb hat der Herrgott unß guth Katholische so schwer mit Brennen, Martter und Sterben heimbgesucht und die Lutherischen nit? Was haben wir verprochen, was war unsre große Sündt? Ach, warumb sagt uns auch heutt noch niemand, was wir glauben solln? Selbst jetzo, nach so viln Jahren, hab ich kein Antwortt, kein Troßt. Aber immer noch bet ich jeden Tagk für die armen Seelen im Feuer, auff daß sie erlöset werden. Was, so frag ich, hat der Todt unsers Herrn Jesu am Kreutz für einen Sinn gehabt, wenn das Böße nit besiegt worden ist? Amen.

Rom, Ende Juli 1631
    Ich habe Neuigkeiten für Euch, mein Freund. Gute und schlechte.« Mutio Vitelleschi forderte Pater Kircher mit einer Handbewegung auf, Platz zu nehmen. Der Jesuit zog sich einen samtgepolsterten Stuhl vor den Schreibtisch des Generalvikars und ließ sich darauf nieder. In den Wochen, die seit seinem Zusammentreffen mit dem Papst vergangen waren, hatte er seine Ungeduld kaum zügeln können. Urban hatte sich bei ihrem gemeinsamen Gespräch bedeckt gehalten, und Kircher hatte beinahe den Eindruck gewonnen, eigentlich seien dem obersten Hüter der Christenheit die Hexenverfolgungen in Deutschland herzlich egal. Seine Hoffnungen waren mit jedem Tag, der ohne eine Antwort des Papstes verging, weiter gesunken. Jetzt musste wohl schon bald das Kind der Dorothea Flock zur Welt kommen, und dann war es für die arme Frau zu spät. Für sie und für all die Unglücklichen, die nach ihr kommen würden.
    Kircher sah den Generalvikar mit höchster Spannung an. »Nennt mir die schlechte Nachricht zuerst«, bat er.
    »Wie Ihr wollt.« Vitelleschi winkte einen Diener mit Wein und Wasser heran und ließ zwei Pokale füllen. »Ich hatte heute eine Audienz bei Seiner Heiligkeit. Die Sacra Rota Romana hat Eure Sache behandelt, ebenso das Sant’Offitio. Man ist in beiden Gremien zu der Auffassung gekommen, sich nicht offiziell in deutsche Angelegenheiten zu mischen.«
    Petrus Kircher senkte den Kopf. Er hatte es befürchtet, aber die Enttäuschung traf ihn dennoch hart. Seine Mission war gescheitert. Mechanisch griff er nach seinem Becher und trank einen Schluck. »Und die gute Nachricht?«, fragte er kleinlaut.
    Vitelleschi lächelte fein. »Besteht in dem Wörtchen ›offiziell‹ – und in der Tatsache, dass Ihr den Papst mit Eurem Vortrag wohl mehr beeindruckt habt, als Ihr selber glauben wolltet.«
    »Und was bedeutet das nun?« Kircher schöpfte wieder Hoffnung.
    »Zunächst: Es wird keine formelle päpstliche Äußerung zu den Hexenprozessen im Allgemeinen geben. Also keine Bulle oder Ähnliches. Man will um jeden Preis Einigkeit gegenüber dem Protestantismus bewahren, und das Sant’Offitio befürchtet, dass diese verloren ginge, wenn der Papst seine Bischöfe in Deutschland nicht unterstützen würde. Und man will nichts tun, was das Gebot der Heiligen Schrift untergraben könnte, das da fordert, Hexen seien mit dem Tod zu strafen. Dennoch ist man äußerst besorgt, dass die deutschen Inquisitionsprozesse zu einer unguten Stimmung im Volk führen und so manche Gemeinde in die Arme der Lutheraner treiben könnten.« Der Generalvikar nippte von seinem verdünnten Wein. »Mein lieber Bruder Kircher, es wird zwar keine Bulle geben, aber man schätzt die Autorität des Heiligen Stuhles so hoch ein, dass eine informelle päpstliche Stellungnahme in einem prekären Einzelfall wie dem der Dorothea Flock – sagen wir, ein milder Tadel bezüglich der Prozessführung – insgesamt große Wirkung zeigen dürfte. Es wäre keine Verurteilung der Prozesse, aber ein gut verständlicher Wink, in Zukunft maßvoller zu agieren. Kurzum: Dort drüben auf dem Tisch liegt ein päpstliches Mandat, das Eurer Schutzbefohlenen zu Bamberg das Leben retten und den Fürstbischof dazu bringen

Weitere Kostenlose Bücher