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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Anhaltspunkt dafür, dass Cornelius’ Arznei wirkte. Doch dann, endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, fiel plötzlich polternd ein Stuhl um. Durch die angelehnte Tür drang ein Flüstern, dann ein merkwürdiges Summen und Singen. »He, he, hoppla!«, rief einer der Büttel mit schwerer Zunge. »Was zum Teufel …?« Dann hörte es sich so an, als ob jemand taumelte und hinfiel.
    Toni beherrschte sich. »Du darfst nicht zu früh hineingehen«, hatte Cornelius ihm eingeschärft. Also blieb er noch eine Weile sitzen, horchte auf die seltsamen Geräusche und lallenden Stimmen der Wächter. Es klang so, als ob sie betrunken im Schlaf redeten. Endlich wagte er es. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spaltbreit und lugte hinein. Der jüngere Wächter saß mit gespreizten Beinen auf dem Boden, den Rücken gegen die Wand gelehnt, und stierte mit halb geschlossenen Lidern blöde ins Herdfeuer. Der andere hockte zusammengekrümmt am Tisch und brabbelte unverständliches Zeug. Sie wirkten, als seien sie in einer anderen Welt; Toni hatte so etwas noch nie gesehen. Jetzt oder nie, dachte er, drückte die Tür weiter auf und schnappte sich sämtliche Schlüsselbunde, die an dem Wandhaken neben dem Türstock hingen. Es klirrte leise, und der Grauhaarige hob den Kopf. Toni erstarrte mitten in der Bewegung, doch der Alte blies nur die Backen auf und glotzte mit glasigem Blick durch ihn hindurch. Mit einem Satz war Toni draußen und sperrte mit dem größten der Bartschlüssel die Tür auf.
    »Endlich!« Cornelius huschte herein, ein großes Bündel unter dem Arm. »Wie steht’s da drin?«
    »Ich glaube, es wirkt.«
    »Sperr sie ein.«
    Toni suchte nach dem richtigen Schlüssel und drehte ihn einmal im Schloss. Dann legte Cornelius sein Bündel ab, griff sich das Talglicht aus der Wandnische, und die beiden hasteten über die Treppe nach oben. Von der Wirtin, die Hanna täglich das Essen brachte, wussten sie, dass die erste Zelle auf der linken Seite die Richtige sein würde.

    Hanna lag zusammengerollt auf ihrer Strohschütte in der Ecke, die Decke fest um sich geschlungen. Sie versuchte ein wenig Schlaf zu finden, aber die Ketten um ihre Fußknöchel schmerzten so sehr, dass es sie wachhielt. Außerdem fror sie und hatte Durst. Es war stockfinster in der Zelle; sie tastete nach dem hölzernen Wassernapf und nahm einen Schluck. Dann ließ sie langsam ihre Finger über die Wand gleiten, bis sie die Stelle fand, wo sie jeden Tag mit einem rostigen Nagel einen Strich in den nackten Stein kratzte, seit man sie hierher gebracht hatte. Drei waren es schon. Bei elf würde ihre Blutung einsetzen, wenn sie richtig gerechnet hatte. Acht Tage Aufschub, dachte sie, und die Angst, ihr ständiger Begleiter, bohrte sich wieder ein bisschen tiefer in ihr Hirn. Sie hörte die Wächter heraufkommen, zur letzten Abendkontrolle vor der langen Nacht. Sie gingen sehr leise, und sie unterhielten sich auch nicht wie üblich. Merkwürdig, dachte Johanna und grub sich wieder ins Stroh. Dann sah sie den schwachen Lichtschein, der durch das kleine, vergitterte Fenster ihrer Tür fiel. Ein Raunen: »Hanna?«
    Sie fuhr hoch und war augenblicklich hellwach. »Wer ist da?«, flüsterte sie heiser. »Lieber Gott, wer ist da?« Das konnte doch nicht wahr sein! Toni? Heiliger Himmel, war das seine Stimme gewesen? Sie hörte, wie draußen jemand verschiedene Schlüssel probierte, bis endlich einer passte. Es knirschte leise, als sich der Bart im Schloss drehte. Dann war die Tür offen, und Cornelius stürzte herein. Mit einem unterdrückten Aufschrei kroch sie ihm entgegen, so weit die Ketten es zuließen, streckte ihm die Arme hin. Tränen schossen aus ihren Augen. Er riss sie an sich, hielt sie fest, und sie weinte, den Körper von trockenen, lautlosen Schluchzern geschüttelt.
    »Schscht«, machte er, »schscht. Alles wird gut, du musst nur leise sein, Liebste. Wir haben nicht viel Zeit.« Mit zitternden Fingern streichelte er ihr den Kopf, bedeckte ihr schmutziges Gesicht mit Küssen. Toni machte sich derweil fieberhaft an den Fußfesseln zu schaffen. Endlich klickte es, und Johanna rieb sich die wunden Knöchel. Cornelius warf ihr einen dunklen Mantel um die Schultern. »Kannst du gehen?« Sie nickte. »Dann los.«
    Draußen auf dem Gang zögerte sie kurz. »Was ist mit den anderen?«, flüsterte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Es geht nicht, Hanna. Ich hab mir das Hirn zermartert. Nur dein Leben. Sonst niemand.«
    Hanna ließ den Kopf sinken. »Und

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