Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Förner, den ich mir als eiskalten, diabolischen Menschenverächter vorgestellt habe. Ein dritter Geistlicher im Roman hat ebenfalls ein echtes Vorbild, nämlich Petrus Kircher, der tatsächlich damals Hexenbeichtiger war. Und natürlich sind auch Adam Tanner, Mutio Vitelleschi, Papst Urban (die Vogelszene entspricht tatsächlich der Wahrheit), Kardinal Spada und Friedrich Spee reale Gestalten. Dass allerdings die Jesuiten an höchster Stelle von der »Cautio criminalis« gewusst haben und ihre anonyme Veröffentlichung lancierten, ist meine eigene Interpretation.
Das Mandat des Reichshofrats zum Fall Dorothea Flock hat es tatsächlich gegeben. Die Quellen deuten auch stark auf die Existenz eines päpstlichen Dekrets hin, das allerdings noch nicht gefunden werden konnte. Doch allein schon die Stellungnahme des Reichshofrats genügte, um dem Hexenwahn in Deutschland den Impetus zu nehmen. So wie die fränkischen Hochstifte bei den Massenverfolgungen eine Vorreiterrolle eingenommen hatten, so strahlte nun die Beendigung der Verfolgung in Bamberg auf andere deutsche Territorien aus. Die Partei der Verfolgungsbefürworter geriet nach 1631 in die Defensive. Zwar gab es um die Jahre 1660/70 noch einmal eine größere Verfolgungswelle in Deutschland, doch die alten Dimensionen wurden nie wieder erreicht.
Das Gebäude der Mohrenapotheke gibt es übrigens heute noch, und immer noch wacht der Mohr über der Tür. Auch der Geyerswörth existiert noch (den Turm, von dem Deodatus stürzt, kann man begehen; den Schlüssel bekommt man bei der Touristeninformation) so wie alle anderen erwähnten historischen Örtlichkeiten in der Weltkulturerbe-Stadt. Bis auf eine: Das Malefizhaus wurde auf Geheiß von Dornheims Nachfolger Franz von Hatzfeld abgerissen. Es stand am damaligen Häfnersmarkt, heute Franz-Ludwig-Straße 7. Die Richtstatt am Schwarzen Kreuz lag an der Stelle des heutigen Schönleinsplatzes.
Zum Schluss noch einige Bemerkungen zur verwendeten Literatur. Zum Thema Hexenverfolgungen gibt es Unmengen an Büchern und Aufsätzen, die das Phänomen aus allen Blickrichtungen beleuchten. Gerade in den 1980er und 90er Jahren hat ein »Boom« an Hexenliteratur eingesetzt. Hervorzuheben sind hier die Werke von Wolfgang Behringer, z.B. »Hexen und Hexenprozesse in Deutschland«, München 1993, oder auch »Hexenverfolgung in Bayern. Volksmagie, Glaubenseifer und Staatsraison in der Frühen Neuzeit«. Gut auch Richard von Dülmen, »Hexenwelten. Magie und Imagination vom 16.–20. Jahrhundert«, Frankfurt 1987/93. Ebenfalls empfehlenswert Evelyn Heinemann, »Hexen und Hexenglauben. Eine historisch-sozialpsychologische Studie über den europäischen Hexenwahn des 16. und 17. Jahrhunderts«, Frankfurt /New York 1986. Unzählige Bücher und Fachaufsätze beschäftigen sich mit lokalen Hexenphänomenen; hier für Bamberg v.a. Britta Gehm, »Die Hexenverfolgung im Hochstift Bamberg und das Eingreifen des Reichshofrats zu ihrer Beendigung«, Hildesheim /Zürich/New York 2000, oder auch Andrea Renczes, »Wie löscht man eine Familie aus? Eine Analyse Bamberger Hexenprozesse«, Pfaffenweiler 1990.
Aber wichtiger als alle Literatur ist immer die Arbeit mit den Quellen selbst.
Ein Großteil der zeitgenössischen Passagen im Roman ist diesen Quellen entnommen. So sind z.B. die Geständnisse authentisch, genauso wie der Tagebucheintrag des Zeiler Bürgermeisters Hans Langhans am Anfang (Langhans wurde später übrigens selbst ein Opfer der Verfolgung), die Mandate und Urteile, »Drudenzeitungen«, Gnadenzettel, Lieder und Gedichte, oder auch der letzte Brief des Bürgermeisters Junius aus der Haft an seine Tochter. Zur besseren Lesbarkeit und zum leichteren Verständnis ist manches sprachlich angepasst, aber niemals verfälscht worden. Überhaupt finden sich im Text immer wieder Originalpassagen aus dem 17. Jahrhundert eingewoben, die für Authentizität sorgen sollen.
Manche mögen sich angesichts der überlieferten Tatsachen die Frage stellen, wie es möglich war, dass sich eine Gesellschaft so weit von dem entfernt, was wir für rational und human halten. Man möchte nach Schuldigen suchen, verteufeln und verteidigen, den Sinn hinter dem Wahnsinn finden. Es geht nicht. Wir können nicht die Handlungs- und Reaktionsmechanismen von Menschen des 17. Jahrhunderts an Maßstäben des 21. Jahrhunderts messen. Wer das tut, verlangt von den damals Beteiligten das Unmögliche, nämlich eine Denkweise, die erst die ferne Zukunft bringen
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