Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Hochzeitszug durch die nächtlichen Gassen. An der Spitze ging der alte Reuß mit seiner Flöte – er verdiente sich als Pfeifer bei festlichen Anlässen oft ein Trinkgeld. Die Männer hielten Fackeln hoch, und die Frauen streuten Blumen, während die jungen Leute unterwegs Spottlieder auf das Eheleben sangen und allerlei Schabernack trieben.
Johanna und ihr Verlobter waren in dem Trubel getrennt worden, und so lief sie das erste Stück allein hinter den Leuten her. Ach, ging es ihr durch den Kopf, der Cornelius ist so ganz anders als mein Hans. So ein Lustiger, mit dem man Unsinn machen und scherzen kann. Mit dem es einem nie langweilig wird. Sie seufzte. Der Hans, der ging wirklich zum Lachen in den Keller. Und beleidigt war er auch schnell. Aber sie hatte heute Abend auch wirklich nicht recht an ihm getan. Ich will’s wiedergutmachen, dachte sie. Morgen geh ich hin und sag ihm, dass es mir leidtut. Und dann bring ich ihm etwas von meiner selbstgemachten Zimtlatwerge, die er so gern mag.
Johanna beschleunigte den Schritt und erreichte das Ende des Zuges. Man bog gemeinsam in die ehemalige Judengasse ein, wo Heinrich Flock ein imposantes, dreistöckiges Haus mit einer schönen Hofreit und mehreren Stadeln besaß, dessen Fassade für diesen besonderen Tag mit bunten Fähnchen und Girlanden geschmückt war. Flock sperrte die Haustür auf und überreichte dann den Schlüsselbund mit großer Geste seiner frischangetrauten Ehefrau, die den Ring unter dem Beifall der Leute an ihrem Gürtel befestigte, wo er von nun an bleiben würde. Dann hob Flock Dorothea mit einem Juchzer hoch und trug sie über die Schwelle. Die Tür fiel ins Schloss, und die Menge wartete mucksmäuschenstill, bis endlich im ersten Stock ein Fenster aufging und sich das glückliche Paar Arm in Arm zeigte. Da brachen alle in Beifall und Hochrufe aus. Schließlich winkten die beiden lachend ab und zogen die Läden vor. Was jetzt geschah, ging nur die Brautleute etwas an …
Die Menge zerstreute sich langsam, und auch Johanna wandte sich zum Gehen. Unterwegs holte sie ihren kleinen Bruder ein, den sie, wie ihr jetzt auffiel, den ganzen Abend nicht gesehen hatte. Er ging recht langsam und hielt den Kopf gesenkt.
»Ja Toni, was ist denn mit dir los?« Sie legte ihm den Arm um die Schulter.
»Mir ist so schlecht.«
Sie leuchtete ihm mit ihrem Kienspan ins Gesicht. »O weh, du siehst aber arg elend aus.« Schließlich ging ihr ein Licht auf. »Sag, was hast du heut Abend alles getrunken, du Held?«
»Nix.«
»Glaub ich dir nicht.«
Er wand sich. »Einen ganz kleinen Schluck Bier.«
»Ganz klein, hm?«
Schon erbrach sich Toni in den Rinnstein.
»Branntwein hat er getrunken«, kam da von hinten die Stimme von Abdias Wolff. »Der Lauser! Die Veronika Junius hat’s mir erzählt. Na wart, Bursch, morgen wirst du einen fröhlichen Tag haben, den gönn ich dir!«
Der Junge wischte sich über den Mund und sah seinen Vater schuldbewusst an. »Nicht bloß getrunken, auch Stirn und Brust damit eingerieben. Ich und das Mariele. Weil, der alte Reuß hat gesagt, das hilft gegen Hexen, wenn sie einem das Geschoss tun wollen.«
Der Apotheker schnaubte. Da hatte man den ganzen schönen Tag lang diese Hexengeschichte von der Feier fernhalten können, und jetzt holte es einen doch noch ein. Mit dem alten Reuß, dem Schwätzer, würde er noch ein Hühnchen rupfen. Wolff ärgerte sich. Aber wenn er seinen Antoni ansah, wie er käseweiß und verschwitzt vor ihm stand, musste er doch schmunzeln. »Na, jetzt hast du halt statt dem Hexenschuss einen Rausch.« Gutmütig schlug er seinem Sohn auf die Schulter. »Komm, Bub, gehn wir ins Bett.«
Einträchtig wanderten die drei heim in die Mohrenapotheke.
Aus den Lebenserinnerungen der Dominikanernonne Anna Maria Junius zu Bamberg, niedergeschrieben im Jahr 1652
Item am Mittwochen an Marci da wurd die Zaubrerin, genannt Christina Moorhaupt, am Schwartzen Creutz verprennt. Item da man sie vors Gericht geführt hat vorm Rathauß unterm freien Himmel, da hub sie an und sprach: Liebe Herrn ich bitt euch, fristet mir mein Leben durch Gotts Willen. Item da las man eine lang Bekenntniß vor, die lautet also: Sie hätt bekennt, daß sie wohl 15 Menschen das Geschoß gethan. Item sie hett auch bekennt, daß sie ihr Buhlschaft der Teufel, der war genannt Gänslein, in der Pfingstnacht draußen im Feld zwei Mal hergenomen hat und daß er mit zweien Pferden gekomen sey und sie und irn Sohn über die Stadt gefürt hat.
Item da man
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