Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
»Ich hab doch nur meine Hennen«, wimmerte sie, »lasst mich doch zurück zu meinen Hennen … «
»Gesteht jetzt endlich!«, donnerte Schwarzcontz, »wir wissen doch, dass Ihr eine Drud seid!«
Die Kreuselmännin zuckte zusammen, als werde sie geschlagen, und brachte kein Wort mehr heraus. Sie schlotterte, und die paar Zähne, die sie noch hatte, klapperten mit leisem Klicken aneinander.
»Seht Ihr nicht, dass dieses arme Weib friert?« Cornelius wollte, dass dies alles ein Ende nahm. »Gebt ihr doch um Christi willen etwas anzuziehen.«
»Wir sind ohnehin fertig.« Schwarzcontz ging zu Hans Schramm hinüber, der die ganze Zeit über am Tisch mitgeschrieben hatte. »Am Hals der K. ließ sich eine Hexenzitze finden. Bleibt weiter verstockt. Für den morgigen Tag wird eine neue Vernehmung mit Territion angeordnet. Datum Bamberg, den Mittwoch nach Misericordia Domini anno 27. Habt Ihr das?«
Schramm nickte eifrig. Schwarzcontz nahm ihm die Feder aus der Hand und unterschrieb; Kircher tat es ihm nach. An seinem Gesicht konnte Cornelius ablesen, wie unangenehm es ihm war. Dann war er selber an der Reihe. Widerwillig setzte er seinen Namen unter die beiden anderen.
»Kann ich jetzt gehen?« Er griff nach seiner Tasche.
»Wo denkt Ihr hin? Es sind noch sechs weitere Delinquentinnen da … « Schwarzcontz gab dem Stadtknecht ein Zeichen, der gerade dabei war, die Kreuselmännin hinauszubringen. »Wir können eine kleine Vesperpause einlegen, aber dann brauchen wir Euch sicherlich bis zum Abend. Mein Collega Herrenberger wird auch noch kommen.« Vertraulich wandte er sich an Cornelius. »Ich kann schon verstehen, Doktor Weinmann, dass Euch an einem solchen Tag Geschäfte entgehen, aber vielleicht wisst Ihr noch nicht, dass Euch für jede durchgeführte Untersuchung ein Viertelgulden aus der Malefizkasse zusteht … «
Cornelius verzog das Gesicht. Dieser Jurist erschien ihm immer widerwärtiger. »Es kommt mir nicht aufs Geld an.«
»Aber doch auf den Willen Eures Fürstbischofs, oder nicht?« Schwarzcontz tat verwundert. »Auf seine allerhöchste Empfehlung haben wir Euch schließlich für diese Aufgabe ausgewählt. Und Ihr wollt Euren Landesherrn sicherlich kaum enttäuschen?«
Cornelius blieb nichts anderes übrig. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Also gut, Doktor Schwarzcontz, lasst uns weitermachen.«
Erst kurz vor Sonnenuntergang kam der junge Arzt nach Hause, müde und abgestoßen von dem, was er an diesem Tag erlebt hatte. Sein erster Weg führte ihn zum Waschzuber. Er hatte das Gefühl, sich mit Schmutz beladen zu haben, äußerlich wie innerlich. Das klare, kalte Wasser auf seinem Gesicht und den Händen tat ihm gut. Dann trat er in die Stube, wo seine Mutter schon den Abendeintopf in die Schüsseln geschöpft hatte. Er setzte sich zu ihr, griff nach dem Holzlöffel und rührte unschlüssig in seinen Erbsen herum. Dann ließ er den Löffel angewidert fallen und schob das Essen unberührt von sich.
»Ich hab keinen Appetit, Mutter, ich geh ins Bett.«
Sie strich ihm liebevoll über das dunkle Haar. »Willst du darüber reden?«
Er schüttelte den Kopf und stand auf. »Morgen vielleicht. Gut Nacht.«
Trotz seiner Müdigkeit konnte Cornelius lange nicht einschlafen. Das Bild der unglücklichen Kreuselmännin ließ sich nicht aus seinem Kopf vertreiben. Er glaubte einfach nicht, dass die Alte eine Hexe war. Eigentlich glaubte er überhaupt nicht an Hexen. Aber konnte es nicht sein, dass er sich furchtbar irrte? Dass der Teufel seinen Verbündeten die Fähigkeit verlieh, so unschuldig zu wirken wie ein neugeborenes Kind? Das genau dies seine Taktik war, seine Strategie? Zweifel in den Köpfen der Menschen zu säen und sie damit zu verderben? Cornelius wünschte, er wäre niemals nach Bamberg zurückgekommen.
Bamberger Hochzeitshaus, Mitte April 1627
Ach, ich bin so glücklich, so glücklich!« Dorothea fasste ihre Schwester an beiden Händen und drehte sich mit ihr ein paar Mal im Kreis. Sie sah hinreißend aus in ihrem sonnengelben Festkleid aus Damast mit den weitbauschenden Ärmeln und dem kostbaren Spitzenbesatz. Auf dem hochgesteckten blonden Haar trug sie den grünen Myrthenkranz, das Zeichen der Jungfräulichkeit. Ihre Augen sprühten goldene Funken.
Johanna ließ sich lachend mit zu der langen Tafel ziehen, die sich unter den wunderbarsten Köstlichkeiten bog, und öffnete den Mund, damit Thea ihr eine kandierte Kirsche hineinstecken konnte. »Schwesterchen, ich beneide dich«, rief
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