Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
sie kauend, »und ich wünsch euch nur das Allerbeste!«
Die halbe Stadt war zur Hochzeit gekommen, und nun, da die Zeremonie in der Martinskirche vorbei war, feierte man im Bamberger Hochzeitshaus am Kranen. Die Stadt hatte das Festgebäude mit dem herrlichen Steinportal vor einigen Jahren eigens für solch große Feierlichkeiten errichten lassen. Vor dem Haus hatte der Metzger ein riesiges Bratfeuer entzündet, vor dem sich ein Ochs am Spieß drehte und einen köstlichen Duft verbreitete. Das Festbüfett oben im Saal war auf hundertfünfzig Gäste ausgerichtet, und es fand sich darauf alles, was das Herz begehrte, von gefüllten Bamberger Zwiebeln, Würsten und Presssäcken über gesottenen und gebackenen Regnitzfisch bis hin zu süßen Eierkuchen, Latwergen, Honigpastetchen und Mostkrapfen. Auch die Hausarmen der Stadt kamen an diesem Tag nicht zu kurz, denn Johanna hatte schon am Morgen zwanzig Schüsseln mit Brot, Gemüse und Geräuchertem zur Almosenvergabe ins Spital bringen lassen. Jetzt riss sie sich von ihrer Schwester los, um den Leuten ihre Plätze an den langgezogenen Tischen anzuweisen und den Aufwartern das Zeichen zum Ausschenken von Bier und Wein zu geben. Schließlich vertrat sie an diesem Tag bei Thea Mutterstelle und war dafür verantwortlich, dass alles reibungslos vonstatten ging.
Als endlich alle zufrieden und fröhlich beim Essen saßen, fand auch sie Zeit für einen Schluck Wein und ein Stück vom Ochsenbraten. Sie setzte sich zu ihrem Verlobten und lehnte sich leicht gegen seine Schulter. »So eine schöne Feier! Ach Hans, wie ich der Thea und dem Heinrich ihr Glück gönne!«
»Bald werden wir die Nächsten sein«, meinte Schramm und richtete seinen Blick gedankenverloren in die Ferne.
»Was überlegst du denn?«, fragte Johanna.
»Ich rechne grad, wie viel ich in diesem Jahr noch arbeiten könnt. Wenn’s so weitergeht, dann könnten wir uns zur Hochzeit ein schönes kleines Häuschen leisten.«
Junius, der Bürgermeister, der den beiden gegenübersaß, mischte sich ein. »Na, macht ihr Pläne? Zeit wird’s, hm? Ihr müsst jetzt ja eitel viel Geld verdienen, Hans Schramm, ich höre, Ihr protokolliert nicht nur bei den Verhören, sondern Ihr macht auch die Vermögensauflistungen der Verhafteten?«
Schramm nickte. »So ist es. Sobald jemand als Hexe verhaftet wird, gehe ich mit einem Amtsknecht ins Haus des Delinquenten und erstelle ein Besitzinventarium«, erklärte er Johanna. »Man muss ja wissen, wie hoch das Vermögen der Hexe ist.«
»Und warum?« Johanna verstand nicht.
»Ganz einfach.« Junius tupfte sich mit einer geblümten Handzwehl den Mund ab. »Die Verhafteten müssen selber für die Kosten ihrer Haft aufkommen, vom Essen über die Unterkunft bis zum Wächterlohn. Ebenso für das Geld, das ein Hexenkommissar für jedes Verhör, der Henker für jede peinliche Befragung erhält. Und natürlich«, er wandte sich an Schramm, »für den Lohn des Schreibers.«
»Und wenn sie unschuldig sind? Müssen sie dann auch zahlen?«, wollte Veronika Junius wissen, die neben ihrem Vater saß.
»Bisher haben sie alle gestanden«, sagte Schramm und nahm einen Schluck Wein.
»Aber Urteile sind noch nicht gefällt worden«, meinte Junius.
»Doch, das Erste wurde gestern vom Fürstbischof unterschrieben«, entgegnete Schramm.
Junius wurde blass. Bisher hatte der Rat gehofft, Fuchs von Dornheim würde ein Einsehen zeigen und nicht mit aller Härte durchgreifen. Erst vor einer Woche waren die Bürgermeister deshalb im Geyerswörth vorstellig geworden. »Wer?«, fragte er.
Schramm legte sein Essmesser hin. »Ei, lieber Herr Bürgermeister, lasst uns doch von etwas Fröhlicherem reden. Bei einer Hochzeitsfeier sollten wir solch schreckliche Dinge wie diese Hexenverschwörung gar nicht erörtern, meint Ihr nicht? Es verdirbt uns nur die gute Stimmung. Komm, Johanna, wir wollen zum Brautpaar gehen und ein paar Segenssprüche tun.«
Inzwischen hatte die Musik begonnen, Pfeife, Fiedel und Trommel. Die Alten setzten sich zum Zuschauen auf Bänke an den Wänden entlang, und die ersten Gäste stellten sich zum Reigen auf. Es wurde getanzt und gelacht, ein paar Freundinnen der Braut führten ein komisches Stück auf, und der Schwager des Bräutigams verlas ein langes Gedicht. Bier und Wein flossen in Strömen.
Johanna war seit dem Gespräch mit Junius, der ihr Nennonkel war, nachdenklich geworden. Irgendwie schämte sie sich fast für die Art und Weise, mit der ihr Verlobter sein Geld
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