Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
nickte. »Ihr habt völlig recht, Eminenz. Das untergräbt Eure weltliche und religiöse Autorität. Wir können auf keinen Fall zulassen, dass der Rat die Menschen in der Stadt aufwiegelt!«
»Was schlagt Ihr also vor?«
»Wir müssen den Leuten endlich begreiflich machen, in welcher Gefahr sie schweben. Bisher hat niemand von der höheren Geistlichkeit sich öffentlich geäußert. Das sollte sich jetzt ändern. Ich selbst werde am Sonntag Exaudi eine Predigt in der Oberen Pfarre halten. Und ich denke, Ihr solltet den Rat schriftlich maßregeln. Wer behauptet oder auch nur glaubt, es gäbe keine Hexen, der ist in den Augen der Kirche ein Ketzer. Das ist gängige Lehrmeinung. Und Ketzer werden – genau wie diejenigen, die mit dem Teufel paktieren – mit dem Feuer gestraft. Ich denke, das dürfte den Zweiflern das Maul stopfen. Im Hauptsmoorwald hat’s Bäume genug, um ein Feuer für alle Bürger dieser Stadt zu schüren!«
»Weiß Gott!« Dornheim kniff die Augen zu einem schmalen Strich zusammen. »Ihr hattet recht, Förner. Die ganze Sache entwickelt sich zu einer politischen Machtfrage. Wir dürfen uns das Heft auf gar keinen Fall aus der Hand nehmen lassen. Ich werde den nächsten Brand für Samstag vor Exaudi anbefehlen. Und am Sonntag haltet Ihr Eure Predigt nicht in der Oberen Pfarre, sondern im Dom! Das wird Euch eine Autorität verleihen, der sich niemand entziehen kann.«
Die beiden gingen eine Weile einträchtig nebeneinander her, bis ihr Gespräch von einem jungen Geistlichen unterbrochen wurde, der dem Weihbischof ein versiegeltes Schreiben überreichte. Förner überflog den Text, und sein Gesicht wurde dabei immer finsterer. »Georg Haan hat sich mit den Bürgermeistern getroffen«, knurrte er schließlich. »Dieser Kerl fällt uns in den Rücken.«
Doktor Georg Haan war der Kanzler des Fürstbistums und hatte damit das höchste weltliche Amt im Territorium Bamberg inne. Er stand an der Spitze des Hofrats und war der Bamberger Stadtregierung direkt übergeordnet.
Dornheim blieb abrupt stehen. »Das kann nicht sein!« Seine Miene wurde ebenso finster wie die des Weihbischofs. »Seid Ihr sicher?«
Förner zog eine seiner schwarzen Brauen hoch. »Eminenz, ich habe Augen und Ohren überall in der Stadt. Auch im Rat. Mein Gewährsmann schreibt, er sei selber bei der Besprechung dabei gewesen. Haan hat tatsächlich die Frage in den Raum gestellt«, Förner las noch einmal nach und zitierte dann – »ob der Teufel nicht womöglich in Menschen fahren und deren Gestalt annehmen könne ohne deren Einverständnis.«
»Damit wäre ja jede Hexenanklage hinfällig!«
»Sehr richtig, Eminenz. Damit hätten wir juristisch nichts mehr gegen eine Hexe in der Hand.«
»Und wären dieser Verschwörung des Satans hilflos ausgeliefert.« Der Fürstbischof atmete schneller und zerrupfte nervös ein paar Blätter, die er unterwegs von einem Busch gestreift hatte. In letzter Zeit hatte er immer stärker das Gefühl, der Teufel wolle womöglich einen persönlichen Feldzug gegen ihn selber führen. Er schlief oft schlecht, und nicht einmal die Nächte bei seiner Mätresse konnten ihn mehr ablenken. Niedergeschlagenheit wechselte sich ab mit Anfällen von Jähzorn, zu denen er schon immer geneigt hatte. »Was sollen wir nur tun?«, überlegte er laut.
Förner konnte Dornheims Angst förmlich riechen. Er machte eine beruhigende Geste. »Ich werde mit Haan reden, Eminenz. Und ich werde ihn davon überzeugen, diese Frage nirgendwo mehr zu stellen, wenn ihm sein Seelenheil lieb ist. Ich weiß, er ist ein gut christlicher Mensch und liebt seine Familie sehr. Er würde nicht in den Ruf eines Ketzers geraten wollen. Bisher hat er jedenfalls immer gewusst, was gut für ihn ist.«
Der Fürstbischof atmete auf, sein rundes Gesicht nahm einen zufriedenen Ausdruck an. »›Glücklich sind die Fürsten, welche Netze von Gold und Purpur haben, mit denen sie fischen mögen verständige und wackere Leut, welches die allerköstlichsten Perlein sind, so der Himmel der Erden geben kann.‹ Ein schöner alter Spruch, nicht wahr? Förner, mein Freund, ich bin froh, dass ich Euch habe. Ah, sieh an, mein lieber Caspar!«
Der Mohr näherte sich mit einem Tablett, auf dem zwei gefüllte Becher standen. Dornheim und Förner blieben vor einem steinernen Bänkchen stehen und warteten, bis der Schwarze vor seinem Herrn in die Knie sank und mit unterwürfiger Geste die Erfrischung darbot. Der Fürstbischof ergriff lächelnd einen der Becher
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