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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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Leute, die sich mit einem dunkelhäutigen Exoten schmücken wollten.
    Das Gebälk über Caspars Bett knarzte, und ein Holzwurm tickte leise. Irgendwo am Fluss heulte klagend und langgezogen ein Hund. Dem Mohren wurde unheimlich. Flogen da draußen die Unholden durch die Luft? Der Glaube seiner Kindheit kannte unzählige Geister, die des Wassers und der Luft, die der Bäume und Tiere, die der Ahnen. Man verehrte sie, brachte ihnen Gaben, beschwichtigte sie mit vergorener Milch und Rinderblut, beschwor sie mit Tänzen und Ritualen. Der Dorfmedizinmann hatte eine heilige Hütte voller Schnitzereien, die diese Geister darstellten, unheimliche, ehrfurchtgebietende Masken und Gestalten, bunt bemalt, mit Fell und Federn geschmückt. Indem er mit den Geistern sprach, hielt er sie davon ab, dem Dorf und seinen Menschen Böses zu tun. Vielleicht konnte man die Hexen auch auf eine solche Weise versöhnlich stimmen? Caspar stand auf und holte sein Schnitzmesser und ein Stück Wurzel unter seinem Bett hervor. Er drehte und wendete das Holz, wog es in seiner Hand, und schließlich begann er zu schnitzen …

    Zur gleichen Zeit knöpfte der Fürstbischof seiner Mätresse Susanna auf den weichen Kissen des herrschaftlichen Prunkbetts das Mieder auf. Die dralle, üppige Weinhändlerstochter aus Kitzingen war ein Prachtweib, eine, die wie geschaffen war für die Liebe. Seit drei Jahren lebte sie schon bei Dornheim im Geyerswörth, und immer noch war er ihrer nicht überdrüssig geworden. Sie hatte die schönsten, größten, weichsten, weißesten Brüste, die herrlichsten prallen Hinterbacken und die sinnlichsten roten Lippen, die er jemals gesehen hatte. Kichernd half sie ihm, die vielen kleinen Knöpfe zu öffnen, und nestelte an seinem Gürtel. Dann griff sie mit kundiger Hand an sein Gemächt. Er stöhnte und wälzte sich voller Vorfreude auf sie, spreizte ihre Beine. Und dann, mit einem Mal, war es vorbei. Sein Glied erschlaffte, wurde klein, schrumpfte zu einem weichen, jämmerlichen, kraftlosen Wurm.
    Susanna sah ihn erstaunt an. War da etwas wie Verachtung in ihrem Blick? Er versuchte es noch einmal, liebkoste sie, rieb sich an ihr. Vergeblich. Nichts regte sich mehr zwischen seinen Lenden. Langsam rollte er von ihr herunter und blieb auf dem Rücken liegen. Er hatte versagt. Versagt. Noch nie war ihm dies geschehen. Während Susanna sich an ihn kuschelte und einschlief, verfiel Dornheim in dumpfes Brüten. Wie konnte das nur sein? Was war der Grund?
    Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Gestern hatte er es noch gelesen, im Hexenhammer. Da stand alles: Die Druden behexten durch gauklerische Vorspielungen die männlichen Glieder, sodass sie gleichsam aus den Körpern herausgerissen waren. Sie ließen den Samen vertrocknen, machten die Männer unfruchtbar wie totes Holz. Dornheim fühlte die Angst wie eine schwarze, giftige Spinne in sich hochkriechen. Herr im Himmel, konnte es möglich sein, dass er verhext war?

Mohrenapotheke, November 1627
    Jrgendwo muss es doch sein!« Johanna stand in einem der Vorratsräume der Apotheke auf dem Dachboden und sah sich suchend um. Der Trockenboden war in drei Bereiche eingeteilt: den für die Vegetabilia, die pflanzlichen Arzneimittel, den für die Animalia, die tierischen Drogen, und den für die Mineralia, die Wirkstoffe aus dem Mineralreich. Die tierischen Mittel hatte sie schon durchgesucht und war nicht fündig geworden. Es war aber schon ein rechtes Durcheinander hier droben! Da standen Säcke mit Gewürzen neben Rindenbündeln, da hingen Kräutersträuße über Schachteln mit getrockneten Regenwürmern und Kellerasseln. Hier ein Glas mit Schildläusen, auch Kermesbeeren genannt, rot und rund, da ein Klumpen Moschus im haarigen Beutel aus Ochsenhaut. Weiße Brocken Bleiweiß lagen auf einem Tischchen offen herum, daneben ein Tellerchen mit den großen flachen Linsen der Brechnuss. In einer Ecke baumelte ein runder Lederbeutel mit Cranium humanum; die menschliche Hirnschale half, zu Pulver zermahlen, gegen die Fallsucht. Johanna stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf. Gerade hatte sie auf einem der Regale einen Fayencebehälter mit zerlassenem Menschenfett entdeckt, dem »Armesünderfett«, das man Leichen entnahm und bei Lähmungserscheinungen auf die betroffenen Glieder schmierte. Das gehörte nun wirklich nicht in die Trockenkammer, sondern in den Keller, wo der feuchte Arzneischatz aufbewahrt wurde. Johanna stellte Gefäße um und wühlte in Beuteln

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