Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
nur so in den Boden fährt?«
Der Mohr lächelte etwas ratlos und zuckte mit den Schultern.
»Weil der Teufel mit den Blitzen die heilige Kirche angreifen will! Darum lässt er auch die Hexen so oft Gewitter brauen! Ha!«
Caspar dachte eine Weile nach. »Manche sagen, die da draußen am Schwarzen Kreuz verbrannt worden sind, waren vielleicht gar keine Hexen.«
»Unsinn!« Der Fürstbischof ärgerte sich. »Gott lässt die Hinrichtung Unschuldiger nicht zu.«
Wieder überlegte der Mohr ein Weilchen. »Aber unser Herr Jesus, der Apostel Petrus, der Heilige Sebastian und die anderen Märtyrer alle sind unschuldig hingerichtet worden … «
Dornheim runzelte die Stirn und stand auf. Kreuzdonnerwetter, jetzt fing wohl auch noch sein Leibsklave an, mit ihm disputieren zu wollen! »Davon verstehst du nichts«, sagte er unwirsch.
»Aber ich habe Angst um Euch, Herr!« Der Mohr hob flehend die Hände. »Wenn Ihr Unschuldige habt hinrichten lassen, dann wird Gott Euch vielleicht strafen.«
Dem Fürstbischof war, als ob ihn auf einmal ein kalter Hauch streifte. Was, wenn dieser ehemalige Heide Recht hatte? Musste er sich jetzt nicht nur vor dem Teufel, sondern auch vor dem Herrgott fürchten? Vielleicht jagte Satan ihn ins Bockshorn? Führte ihn in die Irre, um dann dem Himmel die Strafe zu überlassen? Welch perfide Ironie! Dornheim fühlte sich auf einmal hilflos – ein kleines Boot auf dem Ozean, den Gewalten von Wind und Wellen überlassen. Er war wütend auf den Mohren, der ihm mit seinen dummen Fragen den Abend verdorben hatte. Jetzt würde er vor lauter Grübeln und Nachdenken wieder nicht schlafen können. Diese durchwachten Nächte machten ihn noch ganz krank! Er trommelte mit den Fingern auf den Kaminsims. Er brauchte unbedingt noch Ablenkung, bevor er zu Bett ging. »Geh jetzt, Caspar«, grollte er, »und schick mir die Susanna.«
Der Mohr verrichtete seinen Auftrag und zog sich dann in das kleine Zimmerchen unter dem Dach des Ostflügels zurück, das seit so vielen Jahren schon sein Zuhause war. Caspar fühlte sich unglücklich, weil sein Herr wieder einmal böse auf ihn war. Er liebte den Fürstbischof wie einen Vater und fürchtete ihn doch gleichzeitig, hatte Angst vor seinen Launen, seinen Schlägen, den Demütigungen, die er ihm antat. Ihn fröstelte. Nie würde er sich an die Kälte in diesem Land gewöhnen und an den muffigen Geruch der Feuchtigkeit, die überall in den Wänden saß. Mit einem Seufzer kauerte er sich auf dem Strohsack seines Spannbetts zusammen und wickelte sich in eine Decke. Seine Gedanken wanderten zurück zu der Zeit, als sein Name noch Magilima war und er in seiner fernen Heimat lebte. Als er seinen Brüdern beim Hüten der mageren Rinder half, mit den anderen Kindern Geckos jagte, im kleinen Bach mit angespitztem Stock auf Fische lauerte, für die Familie Yamswurzeln in der kleinen Pflanzung grub. Wie immer, wenn er an seine Kindheit dachte, kamen ihm die Tränen. Langsam rollten sie über seine Wangen, bis er das salzige Nass mit der Zungenspitze auffing. Sein Blick fiel auf die geschnitzten Tierfiguren, die er auf dem Sims aufgestellt hatte: Giraffe, Löwe, Antilope, Zebra, Nashorn, ein missglückter Affe, ein Elefant. Einmal hatte er versucht, das Gesicht seiner Mutter zu schnitzen, aber es war ihm nicht gelungen. Menschen waren zu schwierig. Was wohl aus seiner Familie geworden war? Er konnte sich nur noch schemenhaft an den Tag erinnern, als die Sklavenjäger sein Dorf überfallen hatten. Die Männer in ihrer fremdartigen Tracht mit den Turbanen hatten die Alten und die Kleinkinder, die Kranken und die Tiere mit Macheten erschlagen, es war ein blutiges Schlachten gewesen. Seine Schwester, die gerade erst laufen gelernt hatte, war in Stücke gehackt worden wie eine Ziege vor dem Kochen. Er hatte seinen Vater vergeblich kämpfen und seine Mutter weglaufen sehen, dann war da nichts mehr. Erst als er in der großen Stadt mit anderen Kettengefangenen auf ein Schiff verladen wurde, setzte seine Erinnerung wieder ein, Erinnerung an die elenden Gestalten, die eine endlos scheinende Zeit im Bauch des Seglers zusammengepfercht waren, und die vielen, die an Durchfällen, Fieber, Skorbut und Kummer jämmerlich verreckten. Er hatte überlebt, weil er jung und kräftig war, und er war auch einer der Ersten aus der ganzen Schiffsladung gewesen, der auf dem Markt einen Käufer fand, einen deutschen Händler, der solche wie ihn an Fürsten und Könige weiterverschacherte, an reiche
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