Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
weit von Bamberg weg, dass man sich keine Sorgen machen musste. Trotzdem entwickelte sich die Lage bedenklich: Der Kaiser befürchtete ein Eingreifen des schwedischen Königs in die Auseinandersetzung, was die Waagschale wohl deutlich in Richtung des Gegners neigen würde. Aber Dornheim teilte die Meinung der meisten katholischen Reichsfürsten über diesen Gustav Adolf. Sie hielten ihn für einen Jungspund, ein politisches Leichtgewicht, als Feldherr nicht erprobt und deshalb auch nicht gefährlich für die Habsburgische Sache. Sollte er doch kommen und sich bei Wallenstein eine blutige Nase abholen! Bis Franken würde dieser Schwede es ohnehin niemals schaffen.
Dornheim lehnte sich zurück. Diese Hexengeschichte in der Stadt machte ihm viel mehr zu schaffen als ein Krieg, der weit weg stattfand. Ein Jahr ging das nun schon, und die Dinge liefen nicht so gut, wie er und Förner es erwartet hatten. Wie viele Brände hatte es jetzt schon gegeben? Sieben? Acht? Es mussten an die vierzig Unholden hingerichtet worden sein, darunter die Bürgermeisterfamilie Moorhaupt und drei Räte. Die Leute lebten in Angst und Schrecken vor dem bösen Hexenwerk, gingen öfter zum Gottesdienst als je zuvor, aber der Rat blieb weiterhin aufmüpfig. Fast jede Woche gab es Proteste und Vorstellungen. Sogar die Nürnberger hatten schon schriftlich interveniert, weil eine der hingerichteten Hexen Nürnberger Bürgerin war. Dieser protestantische Sündenpfuhl! Wenn die katholische Liga diesen Krieg endlich gewonnen hat, dachte Dornheim, dann werden wir die Stadt wieder katholisch machen, und zwar so schnell, dass der Teufel mit Rauch und Schwefel aus dem nächstbesten Stadttor fährt!
Überhaupt, der Teufel. Der Fürstbischof hatte sich in den letzten Monaten alle Bücher und Schriften besorgen lassen, die sich mit dem Gehörnten und seinem Drudenpack beschäftigten. Er hatte noch einmal genau die berühmte Hexenbulle mit dem Titel »Summis desiderantes« gelesen, mit der Papst Innozenz schon im Jahr 1484 die Hexenjagd in größerem Umfang gefordert hatte. Außerdem hatte er den kurz darauf erschienenen »Malleus Maleficarum« der beiden Dominikaner Sprenger und Kramer aus der Kirchenbibliothek holen lassen, landauf, landab als »Hexenhammer« bekannt, und war den Text zum wiederholten Mal durchgegangen. Um sich über die juristische Seite der Hexenverfolgung zu informieren, hatte er außerdem die beispielhafte »Daemonomania« anschaffen lassen, geschrieben von Jean Bodin, einem eifrigen Hexenverfolger und immer noch der größten Autorität auf dem Gebiet des crimen magiae. Und er hatte vor zwei Tagen einen Boten nach Würzburg geschickt, um den »Fornicarius« des Johannes Nider von dort auszuleihen, eine alte Schrift, die aber bei der Erkennung und Behandlung von Hexen durchaus noch hilfreich sein mochte.
»Weißt du eigentlich, mein Lieber«, wandte sich Dornheim an den Mohren, der wie fast jeden Abend zu seinen Füßen auf einem Kissen saß, »dass in Lothringen schon vor ungefähr dreißig Jahren neunhundert Hexen in kürzester Zeit verbrannt worden sind? Alle verurteilt von einem Richter namens Nicolas Rémy, der brave Mann!«
Caspar sah zu seinem Herrn auf und schüttelte den Kopf.
»Wir müssen diese Pest ausrotten!«, fuhr der Fürstbischof fort. »Und das werden wir schon schaffen, was? Einfach ist das nicht, o nein! Denk nur, der Spanier Alfonso de Spina hat zuverlässig errechnet, dass es über 133 Millionen Teufel gibt! Man stelle sich das vor! Saufteufel, Fluchteufel, Tanzteufel, Lügenteufel, Fressteufel, Buhlteufel, Geizteufel, Prassteufel, Spielteufel und was weiß ich noch für welche! Vor etlichen Jahren hat man allein in Ingolstadt über zwölftausend Teufel erledigt, die von einer Jungfrau Besitz ergriffen hatten! Und zu Augsburg wurden kürzlich einer Magd des Hauses Fugger unter riesengroßem Aufsehen zehn Teufel ausgetrieben!«
Die Augen des Mohren wurden immer runder. »Warum braucht es dann Hexen, wenn es so viele Teufel gibt?«, fragte er mit seinem weichen, fremdartigen Zungenschlag.
Dornheim überlegte. »Ich weiß nicht, Caspar. Wer bin ich, die Beweggründe des Satans kennen zu wollen? Jedenfalls, sogar Luther, dieser abartige Mensch der Finsternis, hat bekannt, selber Hexen gesehen zu haben, und er hat deren unbarmherzige Ausrottung gefordert.« Dornheim ereiferte sich immer mehr. »Hast du dir schon einmal überlegt, mein guter Caspar, warum der Blitz so oft in Kirchtürme einschlägt und nicht etwa
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