Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Angst um unsere eigene Haut die Verfolgung abbrechen. Eminenz, wenn nur ein Hexenkommissar in den Ruch gerät, selber ein Zauberer zu sein, dann bricht die gesamte Prozessführung zusammen. Dann haben wir verloren. Und dann seid selbst Ihr in Gefahr.«
Dornheim spürte, wie die alte Angst wieder in ihm hochkroch. Bei den Leiden Christi, er hatte sich zu sicher gefühlt! Nachdem der Exorzismus bei seiner Geliebten so erfolgreich verlaufen war und sich seine Manneskraft wieder eingestellt hatte, war er nachlässig geworden. Er hatte geglaubt, der Angriff des Teufels sei abgewehrt. Doch weit gefehlt! Luzifer hatte nur neuen Atem geschöpft, und jetzt fuhr er noch schwereres Geschütz auf! Der Fürstbischof merkte, wie ihm der Schweiß ausbrach, und er tupfte mit einem Spitzentuch über seine Stirn. »Mein Gott, Förner, was können wir tun?«
Förner zuckte die Schultern. »Das ist allein Eure Entscheidung. Natürlich könnt Ihr aus Furcht um Eure eigene Sicherheit die Prozesse einstellen lassen … «
»Aber das käme einer Kapitulation vor dem Bösen gleich!« Dornheim kratzte sich nachdenklich am Kinn.
»Ganz recht, Eminenz. Und ich fürchte, Eure Tage als Fürstbischof wären dann gezählt. Denn der neue Herr in der Stadt hieße dann Luzifer.«
Dornheim sah zum Fenster hinaus. Sie waren schon fast auf dem Michelsberg, und sein Blick schweifte über die Dächer Bambergs. Diese verdammte Stadt! Sollte sie doch zum Teufel gehen!
Förner erriet seine Gedanken. »Eine Einstellung der Prozesse wäre allerdings keine Garantie dafür, dass der Teufel dann von seinem persönlichen Feldzug gegen Euch ablassen würde«, sprach er weiter. »Ganz im Gegenteil glaube ich, dass er in diesem Fall erst recht Rache an Euch nehmen würde. Nichts und niemand, fürchte ich, würde ihn dann mehr davon abhalten, seinen Sieg durch Eure Vernichtung vollkommen zu machen.«
»Himmel!« Dornheim sank in seinem Sitz zusammen und stöhnte leise auf. Ihm war plötzlich ganz schlecht, und er wünschte sich zum ersten Mal in seinem Leben, er hätte sich damals, als er das Studium der Theologie begann, doch für die Juristerei entschieden. Müde fuhr er sich mit der Hand über die Augen. »Ihr habt recht, Förner! Mir bleibt keine Wahl.«
Förner verkniff sich ein Lächeln. »Ich beneide Euch um Eure Klugheit und Euren Mut, Eminenz. Ja, wir müssen auf unserem Weg weitergehen. Und wir müssen unsere Bemühungen noch verstärken. Wir müssen die gräulichen Gefolgsleute des Antichrist noch schneller entdecken, ihnen noch schneller Geständnisse entlocken und sie noch schneller unschädlich machen. Schneller, als der Teufel neue Hexen anwerben kann.«
»Wie soll das geschehen?«
»Man könnte einen oder zwei weitere Juristen mit den Prozessen betrauen. Es darf nicht wie bisher Wochen oder gar Monate dauern, bis ein Delinquent ein Geständnis ablegt. Nachdem Hexerei ein crimen exeptum ist, könntet Ihr die Erlaubnis zu noch schwereren Foltern erteilen. Ich habe gelesen, dass anderswo Brennen mit Schwefelfedern, Kalkbäder oder Ähnliches durchaus üblich sind … «
Inzwischen hatte die Kutsche die letzte Steigung zum Michelskloster erklommen, passierte die ehrwürdige Front der alten Kirche und hielt schließlich vor dem Eingang in den Hauptflügel an. Dornheim machte sich zum Aussteigen bereit. »Gut, Förner, leitet dies alles in die Wege«, sagte er und erhob sich schwerfällig aus seinem Sitz. Dann hielt er noch einmal inne. »Und das unsägliche Folterprotokoll dieses Weibsbilds, was machen wir damit?«
Förner lächelte. »Natürlich hat es diese Mitschrift nie gegeben, Eminenz, seid beruhigt. Ebenso wenig wie es in Zukunft Protokolle solchen Inhalts geben wird. Die Kommissare werden dahingehend instruiert, ebenso der Malefizknecht und der Erste Schreiber, dieser – wie hieß er noch gleich? – ach ja, Schramm. Eine kleine Zulage von ein paar Gulden wird die Sache regeln.«
»Deo gratias, mein Freund.« Der Fürstbischof nickte noch einmal und verließ die Kutsche. Er ging die Freitreppe zur Klosterpforte hinauf wie ein alter Mann.
Erst bei Einbruch der Nacht kehrte Dornheim in den Geyerswörth zurück. Zum ersten Mal seit Jahren hatte ihm das Michelsberger Lamm nicht geschmeckt. Kein Wunder! Es war ja wohl das Geringste, dass einem der Appetit verging, wenn es der Teufel auf einen abgesehen hatte!
Der Fürstbischof betrat seine Gemächer im Obergeschoss und ließ sich auf den nächstbesten Sessel fallen. Er lehnte den Kopf
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