Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
mit der hießigen Apotheckers-Tracht: schwartze Roben, Kragen-Binde und ein spitziger schwartzer Hut. Das Wahr-Zeychen der Apothecken ist der »Gaffer« (ich hoff, das ist recht ins Teutsche übersetzt), alßo Kopf und Brußt eines Mannes, den findt man oft über den Thüren der Amsterdammer Offizinen angebracht. Dießer Kopff ist gar hässlich und garstig, aus Holtz geschnitzt, trägt fremd-artige Züge und dunckle Haut. Der Mundt ist wie im Staunen weit auffgerissen. Auf der Schulter der Figur hocket ein Aff und greift mit der Handt an den Turban, der umb den Kopff gewickelt ist. Das siehet lustig aus. In der Offizin, da wo bey uns das Krockodil hänget, hat der Onckel einen groszen, kugelrundten stacheligen Fisch, der glotzet auf den Recepturen-Tisch herab.
Wie bei uns daheim gülttet das Niederländisch Apothecken-Privilegium auch für den Verkauff von Zucker, Gewürtzen, Wein, Aqua Vitae, Taback, Thee und Schokolad. Aber während bei unß nur wenig davon in der Officin verkauffet wird, ist das allhier anders. Grad der Alkohol machet hier viel aus, sogar so vil, daß die Apothecken zu den Schenken gerechnet werden. Der Onkel sagt, zu Ambsterdam kommen fünff Trinckstuben auf hundert Leut, darzu gehört auch seine Apotheck. Der Taback verkauffet sich auch sehr gut, denn fast ein jeder Mann in der Stadt frönt dem Pfeiffen-Rauchen (nit etwa dem Taback-Schnupfen wie bey uns). Man versuchet sogar schon, die Pflantze hier in den Niederlanden anzubaun. Das trockne Krautt wird kleyn geschnitten und in schmale Pfeifen aus Ton oder Meer-Schaumb gestopfft, die ganz lange Stiele haben. Dann zündt man es mit einer glühenden Kohln an und ziehet den Rauch ein. Ich hab’s einmal probiret, aber es hat mir nit gut geschmeckt. Dennoch gültt der Taback als ein Heilmittel, das vor Seuchen und Zahn-Weh schützet und gegen Würmer hülft. Aber nur in Maßen: zu viel davon genossen, sauget er die Lebens-Säffte auf und machet die Männer unfruchtbar.
Der Thee, in der Apothecken Herba Schak genannt (das kömmt auß dem Arabischen), ist auch ein recht neues Artzenei-Mittel. Die Schiffe der groszen Ost-Indischen Handelscompagnie bringen die getrockneten Blättlein in Kisthen auß Batavia. Man muß den Thee in heißem Waßer quellen laßen und dann abseihen; er schmecket recht bitter, ist aber guth für den Magen und reiniget das Bluth.
Es gibt hier so viles aus der Neuen Weltt, was als Artzney in der Apothecken zu brauchen ist. Seit ich kein Angst mehr hab, das Hauß zu verlassen, geh ich offt über die Märckt und zum Hafen, wo die Küsten-Seegler liegen und die Flut-Schiff mit ihren drey Masten anlanden. Dortten wird dann ausgeladen, was in der Frembde wächst und gedeihet, und vil davon ist Arzenei. Ich hab mir die Namen auffgeschrieben, weiln sie so schwer sindt: Angustura-Rinde, Kaskarillen-Rinde, Kondurango-Rinde. Quassiaholz und Sasafras-Holz. Rathaniawurtzel und Schlangenwurtzel und Sarsaparillenwurtzel und Jalappawurtzel. Auch ein newer Farbstoff kommet von Über-See, der heißet Kochenill und wirdt aus den Körpern von rothen Läusen aus America gemacht.
Lieber Vater, ich denck offt an dich. Grad wenn ich dem Onckel oder dem Pieter in der Officin helf – sie wundern sich offt, wie vil ich über den Artzneyschatz weiß –, dann kommst Du mir in den Sinn, und ich hab rechte Sehnsucht. Wie stehet’s daheimb? Du schreibst nit, wie es jetzo mit den Druden gehet! Brauchst kein Angst zu haben, ich bin fast schon wieder so fröhlich wie früher und denck nit mehr oft an die schlimme Zeitt zu Bambergk. Der Toni erzält manchmal den andern Kindern von den Folthern und Bränden, umb sie zu erschröcken. Dann schelt ich ihn, denn das ist nit zum Spaßen. Aber sonst ist er recht fleisig, lernt beim Onkel in der Officin und im Laboratorium vil Neues und stellet sich gut an. Er spricht jetzo bald so gut Niederlendisch wie ich. Bräver ist er aber nit geworden! Mit dem selben Bothen schickt er einen eignen Brieff an Dich mit, lang wird der nit sein!
Grüß mir die Thea, den Heinrich und die andern Liben, die an mich dencken. Und gib guth Acht auf Dich! Das wünschet Dir
Deine libe Tochther Johanna.
Bamberg, Juni 1629
Eine halbe Stunde nach Anbruch der Dunkelheit klopfte es leise an die Tür des Doktorhauses am Grünen Markt. Cornelius spähte durchs Fenster, bevor er öffnete.
»Seid Ihr so weit?« Pater Kircher schob kurz die Kapuze seines Umhangs zurück, damit der Arzt ihn erkennen konnte. Cornelius nickte, griff nach seinem Mantel
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