Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
sein Mund blieb in ungläubigem Erstaunen offen. Sein Gesicht spiegelte eine Mischung aus Entsetzen und Empörung wieder.
»Ihr habt recht gehört. Eine der Delinquentinnen, die gestern torquiert wurde, hat auf dem Bock Euren Namen genannt. Meinen übrigens auch.«
Dornheim schnaufte wie ein gereizter Bär.
»Wie heißt das Weib?«
»Sybilla Estelmännin, Eminenz.«
»Kenn ich nicht.« Das Gesicht des Fürstbischofs lief langsam rot an. »Wie kann dieses Weibstück es wagen? Ich, ein Hexer! Das ist die dreisteste, infamste, unglaublichste Ungeheuerlichkeit, die mir je untergekommen ist!« Er brütete eine Weile über die unfassbare Nachricht, während seine Finger nervös auf den Fensterrahmen trommelten. Dann fixierte er Förner mit zusammengekniffenen Augen. »Was sagt sie genau über mich?«
Der Weihbischof zog ein zusammengefaltetes Stück Papier hervor und reichte es hinüber. Dornheim war so aufgeregt, dass er das Schriftstück beinahe fallen ließ. Vor Wut las er Teile des Texts laut vor.
» … Wie zum Tanzplatz gekommen? Hab sich am Rock der alten Zieglin festgehalten und sei mit ihr durch die Luft geflogen. … Wenn sie zum Hexentanz fahren würd, so fänd sie stets eine Unzahl teufelsergebenen Gesindes, welches, nachdem es einen Bock angebetet und zu Ehren an dem Hintern geküsst, einen Tanz Rücken an Rücken tue, und darauf fleischliche Vermischung mit dem Teufel pflege. … Zum Tanz hätt der dicke Pfeiffer auf einem Pferdeschädel geflötet. … Was es zu essen geben? Der Großkopfwirt hab gesottne Frösch und Schlangen gebracht, auch Spinnen, Eidechsen, Würmer und anders Getier … Das hätt dem Füstbischof besonders geschmeckt … und hätt er auch hinterher ein Tänzlein mit ihr, der Zieglin, gewagt … «
Dornheim ließ das Protokoll fassungslos sinken.
»Lest noch ein Stückchen weiter«, sagte Förner.
» … Auch seien beim Tanzplatz am Roppach bei Hallstadt gewesen … die Commissari Schwarzcontz und Vasold … auch etlich Herren vom Kapitel … der Zentrichter … Als es heimwärts gangen, sei sie in die Regnitz gefalln, aber der Fürstbischof hab sie mit seinem Stab herausgezogen … «
Förner setzte sich bequem zurecht. Beiläufig schnippte er ein Staubkorn von seinem Ärmel. »Was sagt Ihr zu diesen Anschuldigungen, Eminenz?«
»Lüge! Erfunden, alles erfunden! Dieses Weib, diese Estelmännin, muss von Sinnen sein!«
»Das, mit Verlaub, trifft wohl nicht zu.« Förner amüsierte sich innerlich über die Aufregung des Fürstbischofs. »Wenn Ihr gestattet, würde ich Euch gerne meine Ansicht in dieser Sache vortragen.«
Dornheim winkte ungeduldig und verfing sich dabei mit seinem riesigen Ring in den Falten seines Umhangs.
»Nun, es gibt zwei Möglichkeiten, warum diese Frau Euch beschuldigt hat. Zum einen: Ich habe mich erkundigt, sie ist die Witwe eines wohlhabenden Fuhrmanns, führt das Geschäft seit Jahren weiter, ist also nicht dumm. Und sie ist zufällig die Schwester des Ratsherrn Georg Zerrer, der Euch sicherlich bekannt ist. Dieser Zerrer hat schon immer zu denjenigen im Rat gehört, die nicht auf Eurer Seite standen. Er war gut befreundet mit mehreren hingerichteten Räten und ging im Hause des Kanzlers Haan seit Jahren ein und aus. Angeblich hat man ihn neulich sagen hören, nicht die Hexen gehörten auf den Scheiterhaufen, sondern diejenigen, die die Hexenverfolgung durchführen. Vielleicht hat er ja seine Familie instruiert, im Falle einer Verhaftung Euch, die Kommission und auch mich aus Rache zu besagen.«
»Und die zweite Möglichkeit?«
»Das ist die weit gefährlichere.« Förner beugte sich vor; seine schwarzen Augen funkelten. »Eminenz, versetzt Euch einmal in die Lage des Teufels. Seit inzwischen drei Jahren, wenn man die Hexen von Zeil dazu nimmt, wird Jagd auf ihn gemacht. Über vierhundert Unholden sind in dieser Zeit entdeckt und gerichtet worden. Mit so starkem Widerstand hat der Antichrist nicht gerechnet, da packt ihn doch die Wut. Je mehr Menschen er dazu bringt, den unseligen Bund einzugehen, desto mehr werden überführt und ins Feuer geschickt. Er kommt nicht weiter. Vielleicht wird ihm langsam die Zeit zu knapp, oder er will jetzt endlich eine Entscheidung im Kampf zwischen Gut und Böse. Jedenfalls versucht er nun, uns mit unseren eigenen Mitteln zu schlagen. Deshalb spricht er durch den Mund einer seiner Hexen diese ungeheuerliche Beschuldigung aus. Vielleicht sollen ja noch weitere folgen. Der Teufel rechnet damit, dass wir dann aus
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