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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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zurück und wünschte sich mehr Gottvertrauen. Wie hatte der Abt am Nachmittag so schön gesagt? »Zuversicht, mein Freund! Der große Gott wird seiner Kirche und den Bischöfen im Kampf gegen das Böse schon helfen, wenn es nötig sein sollte.« Aber wenn Dornheim ehrlich war, dann fürchtete er nicht nur den Teufel, sondern auch den Allmächtigen. Denn die Liste seiner Sünden war lang und wog schwer, das war ihm klar. Stolz, Ehrgeiz, die Gier nach Macht, damit ging es los. Hass, Neid und Selbstsucht, natürlich, dann und wann. Jähzorn und Völlerei, öfter als ihm lieb war. Und am Ende seine fleischlichen Ausschweifungen, seine Buhlschaften und Zügellosigkeiten. Bei jeder Beichte machte ihm Förner die Hölle heiß, aber er konnte von den Weibern einfach nicht lassen. Würde Gott ihm wirklich gegen den Teufel beistehen angesichts dieses Sündenregisters? Dornheim faltete die Hände und gelobte zum tausendsten Male Reue und Besserung. »Herr, gib mir ein Zeichen«, betete er. »Lass mich wissen, dass Du mich liebst und deine Hand über mir hältst.« Er stand auf, öffnete eines der Fenster und sah zum nachtdunklen Himmel hinauf. Doch kein Stern fiel, kein Licht strahlte auf. Enttäuscht schloss er das Fenster wieder und zog den Vorhang vor.
    Caspar, der Mohr, kam auf leisen Sohlen herein und zündete überall im Raum die Kerzen an. Jetzt erst sah der Fürstbischof die silbernen Schalen und Platten mit den Ostergaben, die man wie immer in seine Gemächer gebracht hatte, damit er sich daran erfreuen konnte. Er ging zu dem großen Tisch hinüber, auf dem die Diener alles aufgebaut hatten. Die bunten Eier erinnerten ihn immer an seine Kindheit, als er mit seiner Mutter und den Schwestern in der Karwoche fleißig selber gefärbt hatte. Zwiebelschalen machten Brauntöne, Rotholz und Krapp ergaben ein dunkles Rot, Holunder- oder Blaubeeren sorgten für Braunviolett, Rainfarn und Spinat brachten ein helles Grün. Das wusste er heute noch. Nach dem Färben hatte seine Mutter mit einem kleinen Messer Muster in die Eierschalen gekratzt, Ornamente und Girlanden, aber auch kleine Tierfiguren oder Blüten. Anschließend hatte er als der Jüngste die Eier mit einer Speckschwarte abreiben dürfen, bis sie glänzten. Ein besonderer Spaß war es immer gewesen, ein eingefärbtes Ei in einen Ameisenhaufen zu legen und zuzusehen, wie die kleinen Krabbeltiere den Fremdkörper angriffen und mit ihrer Säure bespritzten. Danach sah das Ei mit winzigen hellen Pünktchen lustig gesprenkelt aus. Dornheim lächelte unwillkürlich. Vorsichtig griff er nach einem großen sonnengelben Gänse-Ei, das ganz oben auf einem der Eierhaufen lag. Ein Spruch war darauf gemalt, wie es jetzt immer öfter üblich war. Die jungen Männer schenkten ihren Liebsten seit neuestem Eier mit Treueschwüren und Liebesversprechen, was für ein schöner Gedanke! Neugierig las der Fürstbischof den Spruch, der sich wie eine Spirale um das Ei zog: »Tod ist der Sünden Lohn. Dir hülft nicht Gottes Sohn. Dir hülft nicht Stöhnen noch Schrein, fährst in die Hölle bald ein.«
    Dornheim erbleichte. Seine Hände begannen zu zittern. Noch einmal las er den Fluch, dann legte er das Gänse-Ei hastig zu den anderen Eiern zurück. Es begann, auf dem Haufen abwärts zu rollen, kullerte über den Rand der Schale auf den Tisch, und von dort fiel es auf den Boden, wo es krackend zerbrach. Mit Grausen sah der Fürstbischof den winzigen rosa Embryo, der inmitten der bunten Schalenteile in einer Pfütze aus Eiweiß lag. Dann schrie er nach der Dienerschaft.

    Caspar spürte, dass der Fürstbischof in dieser Nacht nichts so sehr fürchtete wie das Alleinsein. Er wich den restlichen Abend nicht von der Seite seines Herrn, massierte ihm Füße und Nacken, flößte ihm fürsorglich seinen Schlaftrunk aus warmem Wein mit Honig und Gewürzen ein. Er sang all die Lieder, die der Fürstbischof so liebte, und spielte seine schönsten Weisen auf der Knochenflöte. Doch nichts konnte Dornheim ablenken oder gar aufheitern. Er wühlte in seinen Büchern nach Fluch und Gegenzauber, betete inbrünstig unter dem Kruzifix, das an der Wand hing, ging rastlos im Zimmer umher. Die Furcht trieb ihn um bis weit nach Mitternacht, aber schließlich fühlte er sich so erschöpft, dass er sich von Caspar widerstandslos ins Bett stecken ließ. Der Mohr bezog einen Schlafplatz quer vor dem unteren Ende der Bettstatt, wo er sich einfach auf dem Boden in eine Decke wickelte. Es bedrückte ihn, dass sich sein

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