Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
das Bluth dünn und leicht fließend und setzt den Schweiß in Bewegungk, es dämpfet auch unnatürliche Hitz, aber man kann es bei Kindern wie Altten nit in hohen Mengen anwenden, und es wirckt auch eher bei Entzündungen als bei Fieber. So steht man dann alß Artzt dabey und muß hülflos zuschaun wie die Hitz die Leut vertzehret.
Jetzo hoffen wir hier alle, daß baldt das Frühjar kommt. Es ist immer noch kaltt, und erst geßtern hat es wieder ein mal geschneyt. Bei Dir zu Amsterdamm ist es bestimbt wärmer; es heißet ja, daß in den Niederlanden das Wetter stets mild ist. Man sagt auch, daß die Menschen dortt ein freundtlicher Schlagk sind, von ruhiger und braver Natur. Und dieweil du die Sprach ja schon von deiner Mutter kennst – ich kann mich grad noch an sie erinnern, sie hat mir offt Latwerg oder ein Stücklein Martzipan geschenckt – hast Du’s dortt bestimmt leicht. Alß ich damalß nach Italien ging, konnt ich kein Wortt. Und ich hab vil Heimwehe gehabt.
Liebe Johanna, ich will dißen Brief nit endigen, ohne Dir geschriben zu haben, daß ich nit mehr ins Hexen-Hauß geh. Ich habs nit mehr gekonnt, auch wegen Dir. Wenn Du diese böße Stunde jemahls vergeßen kannst, dann bitt ich dich tu’s. Ich werd mich mein Lebtag dafür schämen.
Nun will ich Dich hertzlich grüeßen, und auch die Mutter schickt Dir ihre guten Wünsch. Schreyb mir wieder, wenn es Dir nit zu schwer fällt.
Dein guther Freundt Cornelius
Bamberg, 5.April 1629, Ostersonntag
Am Karfreitag, so hieß es, flogen die Glocken aller Kirchen der Welt nach Rom, um erst am Sonntag zurückzukehren. Kinder, die mit Ratschen durch die Gassen Bambergs liefen, hatten in diesen beiden Tagen das Geläute ersetzt. Jetzt, zur Sonntagsmesse, verkündeten die heimgekehrten Glocken jubelnd die Auferstehung Christi.
Die Kirchen waren zur Frühmesse brechend voll, weil jede Familie sich nach dem Gottesdienst ihre Ostergaben weihen lassen wollte. Man brachte frisch geschöpftes Quellwasser, Osterbrot, Buchsbaumzweige oder Palmkätzchen, um den Priester das Kreuz darüber schlagen zu lassen; meistens aber Eier, die vorher bunt eingefärbt worden waren.
Der Fürstbischof saß nach dem Ostergottesdienst auf seinem erhöhten Prunkstuhl im Dom, um die Segnung vorzunehmen. Bis hinaus auf den Domplatz standen die Menschen mit Körben, Krügen und grünen Gebinden. Viele waren Kinder, die gleich anschließend mit ihren Eiern auf die Osterwiese zu den uralten Eierspielen laufen würden, dem Eierhodeln, Eierklopfen oder -rollen.
Gelangweilt wiederholte Dornheim die immer gleiche Handbewegung und wünschte sich, die Menschenschlange möge schnell kürzer werden. Viele fromme Leute dankten ihm für den Segen mit einer Gabe, meist ein besonders schön dekoriertes Ei oder ein Stück Zuckergebäck. Das reichte er dann nach hinten weiter, wo es ein junger Geistlicher in große silberne Schüsseln legte.
Nach fast zwei Stunden hatte Dornheim endlich seine Pflicht erfüllt. Erleichtert begab er sich nach draußen, wo schon die geschlossene Kutsche wartete, die ihn zum Michelsberg bringen sollte. Es hatte sich seit Jahren eingebürgert, dass ihn der Abt des Klosters am Ostersonntag zum Lammbraten lud, und die Michelsberger Lämmer waren jedes Mal ein zarter Hochgenuss! Der Fürstbischof hörte seinen Magen leise knurren. Schon hatte er seinen Fuß auf dem Trittbrett, als ihn der Weihbischof ansprach.
»Eminenz, verzeiht, aber es gäbe etwas Dringliches zu bereden.«
Dornheim winkte unwillig ab. »Hat das nicht Zeit, Förner? Falls es Euch noch nicht aufgefallen ist, wir haben Ostersonntag!«
»Sehr richtig«, erwiderte Förner etwas säuerlich, »heute ist Feiertag, und morgen früh reist Ihr nach Würzburg ab.«
Dornheim gab nach. »In Gottes Namen, steigt ein, ich nehme Euch mit zum Kloster. Ihr könnt Euch dann von dort wieder zurückfahren lassen.«
Die beiden bestiegen die Kutsche und ließen sich einander gegenüber in die weichen Polster sinken.
»Also, was ist so dringend, dass es nicht Zeit hat, bis ich aus Würzburg zurück bin?« Der Fürstbischof klopfte an die Rückwand des Kutschbocks, und gleich darauf begannen die Räder zu rollen.
Förner schürzte die Lippen, legte die Stirn in Falten und wartete einen Augenblick, um die Spannung zu steigern. Dann ließ er seine Stimme in düstere Tiefen absinken. »Eminenz, ich muss Euch leider die Mitteilung machen, dass Ihr der Hexerei beschuldigt seid.«
»Was?« Dornheims runder Schädel fuhr herum, und
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