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Die Seelenjägerin - 1

Die Seelenjägerin - 1

Titel: Die Seelenjägerin - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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fuhr in seine Gewänder und bewegte sie hin und her wie die Flügel einer Fledermaus. »Ich wüsste nicht, inwiefern ein Angriff auf Auremir für Danton im Moment von Vorteil wäre«, sagte er ruhig. Seine Aura stand in hellen Flammen, doch seine Stimme war frei von Emotionen. »Ich werde ihn entsprechend beraten.« Damit stapfte er wütend auf den Turm zu und öffnete mit einem stummen Befehl die schwere Tür, bevor er sie erreichte, um seinen Abgang nicht unterbrechen zu müssen.
    Colivar beschwor so viel Macht, dass Ramirus nicht hören konnte, wie er lachte, dann wandte er sich ebenfalls zum Gehen.

Kapitel 6
    Aethanus erinnert sich:
    An diesem Abend fällt es ihm schwer, sich auf die Übersetzung alter Runen zu konzentrieren. Es fällt ihm überhaupt schwer, seine Gedanken beisammenzuhalten.
    Sie findet keine Ruhe.
    Manchmal glaubt er, sie in seiner Seele zu spüren. Ein seltsam verwirrendes Gefühl. Intim auf einer Ebene, wo er an Intimität nicht gewöhnt ist. Ob das wohl daran liegt, dass sie eine Frau ist? Verändert es das Band zwischen Lehrer und Schüler, wenn ein Teil der Gleichung weiblich ist? Oder sind das nur Ausflüchte, die ihn berechtigen sollen, sich ihr nahe zu fühlen und sich noch eine Nacht länger vor der Wahrheit zu drücken: Sie ist jetzt Magister, und bald wird sie all das begehren, was sich mit diesem Rang verbindet. Das ist so unvermeidlich wie der Regen im Sommer und der Schnee im Winter.
    »Meister Aethanus?«
    Er hebt den Kopf. Sie steht ganz still in der Tür. Aber es ist eine seltsame Stille, nicht heiter und gelassen, sondern angespannt und voller Erwartung. Es ist die Reglosigkeit einer Katze, die überlegt, ob sie die Maus fressen oder lieber mit ihr spielen soll.
    Ob es heute so weit ist?
    Sie wartet wie immer, bis er ihr antwortet, nicht wie seine Schülerin, eher wie eine Dienstmagd. Er rollt das Pergament zusammen, das vor ihm auf dem Tisch liegt, steht auf und streckt sich. Draußen dämmert es schon, der Mond ist aufgegangen, und unter der Sommerwärme ahnt man bereits den ersten frischen Hauch des Herbstes.
    »Komm«, sagt er, »wir gehen ein Stück.«
    Sie passt sich seinen Schritten mit ihren langen Beinen mühelos an und folgt ihm schweigend. Er nimmt den Pfad durch das Gestrüpp, den sie in so vielen Nächten ausgetreten haben, vorbei an den Rehen, die sich eben zur Abendmahlzeit einfinden. Kamala füttert sie oft – ein seltsamer Liebesdienst für jemanden, der sich von der Lebenskraft der eigenen Artgenossen ernährt –, deshalb heben sie die Köpfe, als sie vorbeigeht, wie um zu fragen, ob sie ihnen wohl auch diesmal etwas mitgebracht hat.
    Aber nein, heute Abend hat sie andere Dinge im Kopf. Er spürt, wie die Fragen auf ihre Lippen drängen, als wollte jede als Erste an die Reihe kommen.
    Der Pfad führt einen Hang hinauf zu einem Felsen, der einen herrlichen Blick auf den Himmel und die umliegenden Wälder bietet. An diesem Ort hat er ihr oft Unterricht erteilt. Jetzt führt er sie wieder hierher, und sie steht neben ihm auf dem Granitband, während sich ringsum die Geschöpfe des Tages mit viel Geraschel und Gezwitscher zur Ruhe begeben und den Nachtbewohnern Platz machen.
    Schweigend stehen sie da und genießen die Schönheit des Abends.
    »Warum habt Ihr Ulran verlassen?«, fragt sie endlich.
    Er seufzt tief auf.
    »Wenn Euch die Frage unangenehm ist, braucht Ihr es nur zu sagen.«
    »Nein, darum geht es nicht. Du hast ein Recht, es zu erfahren.«
    Wieder seufzt er und reibt sich mit zwei Fingern die Stirn. »Der König von Ulran – er hieß Ambulis, Ambulis der Vierte – verlangte ein Feuerwerk von mir. Du weißt schon, wie es die Morati mit Schwarzpulver machen. Nur größer sollte es sein, prächtiger …« Er schüttelt den Kopf. »Mehr, als mit Schwarzpulver zu erreichen gewesen wäre. Ein magisches Spektakel, das nicht nur den Himmel mit Licht erfüllen, sondern sein Volk gebührend beeindrucken sollte. Ein Spektakel, welches die Möglichkeiten der Morati so weit überstieg, dass nur ein Magister es geschaffen haben konnte, ein Magister, der seinem Willen unterstand …« Seine Stimme verklingt im Dunkeln.
    »Und Ihr habt Euch geweigert?«, fragt sie.
    »Nein«, sagt er leise. »Ich habe mich nicht geweigert.
    Es ist für einen Königlichen Magister nicht so einfach, seinem Patron einen Wunsch abzuschlagen. Man gewöhnt sich an das angenehme Leben, den Luxus, die Nähe zur Macht, an die eigene Stellung, die es einem erlaubt, andere wie Puppen

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