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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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erlagen, dann eben der zweifachen Verführung durch Reichtum und Macht, die er in sich vereinigte. Wahrscheinlich hätte er jede beliebige Frau in sein Bett holen können, abgesehen vielleicht von einigen sehr hochgestellten Prinzessinnen, bei denen der Beischlaf das Schicksal einer ganzen Nation verändern konnte … und selbst da gab es gewisse Spielräume, vorausgesetzt, die äußeren Zeichen der Jungfräulichkeit blieben gewahrt.
    Und nun war er einer Frau begegnet, die er nicht einmal offen umwerben durfte, wollte er nicht als Sodomit beschimpft werden … einer Frau, die sich zu ihm hingezogen fühlte, aber nicht unbedingt auf eine Weise, die er verstanden oder sich gewünscht hätte … einer Frau, die früher einmal so verletzt worden war, dass sie sich nun bei der kleinsten falschen Bewegung in sich zurückzog und Barrieren aufrichtete, die ein einfacher Prinz niemals einreißen konnte. All das war seltsam verführerisch. Erregend. Wenn sie ihn berührte, schien etwas von seiner gewohnten Kraft in seine Glieder zurückzufließen, und eine geheimnisvolle Wärme durchflutete ihn. War das Hexerei? Oder lediglich eine Ausgeburt seiner überhitzten Fantasie? Er wusste nur, dass er seit dem Ausbruch seiner Krankheit keine Frau mehr wirklich begehrt hatte, und als er nun solche Regungen wieder in sich aufkeimen spürte, da war es ihm, als träte er aus einer dunklen, feuchten Höhle ins grelle Tageslicht.
    Wobei er kaum ausloten konnte, wie sich seine Wünsche erfüllen ließen. Sie konnte offenbar nicht reiten und hatte sich deshalb einen Platz auf dem Fahrersitz von Netandos Kutsche gesucht, wo sie die ganze Karawane im Blick hatte. Wenn die Kundschafter ihre Anweisungen bekamen, zog sie Andovans Blick auf sich und deutete mit rätselhaftem Lächeln Geheimnisse an, die vielleicht zu lüften wären, wenn man nur einen Ort hätte, wo man für sich sein könnte. Dabei wusste sie genau, dass es einen solchen Ort nicht gab. Es war nicht auszuhalten.
    Am ersten Tag ging es zügig voran, man wollte die felsigen Vorberge so schnell wie möglich durchqueren, um vor Einbruch der Dunkelheit an Höhe zu gewinnen. Die Straße wurde von Stunde zu Stunde steiler und schmaler, und die Luft wurde immer kälter, je höher sie kamen. Nach der drückenden Hitze an der Küste waren fast alle froh darüber. Nur die schwarzhäutigen Durbaner zogen ihre Mäntel fester um sich und murrten leise über die verwünschten ›Nordlande‹. Dabei hatten sie nun wirklich keine Ahnung, wie es in den Nordlanden tatsächlich war, dachte Andovan.
    Bisher war eigentlich nicht mit einem Hinterhalt zu rechnen, denn das Gelände bot wenig Deckung, aber Netando ging kein Risiko ein, und so mussten Andovan und die anderen Kundschafter vorausreiten, nach allen Seiten ausschwärmen und das umliegende Terrain absuchen, während ihnen die Karawane langsam folgte. Die unbefestigte Straße war sehr schmal und wand sich in so vielen Serpentinen nach oben, dass Andovan bald aufgab, sie zu zählen, aber die Kundschafter trieben ihre Pferde geradewegs den Hang hinauf, hatten lange, bevor der Hauptteil der Karawane aufschließen konnte, die ersten Höhen erklommen und machten Rast. Hier waren nicht nur Dutzende von schwarzen Kreisen zu sehen, die Reste früherer Lagerfeuer, sondern auch die Mauern eines Gasthauses, das niedergebrannt worden war, nachdem man den Wirt dabei ertappt hatte, dass er die Banditen der Gegend mit Hinweisen versorgte. Man hatte die Ruine stehen lassen, zur Mahnung an alle, die seinem Beispiel folgen könnten, und sie wirkte in diesem Zustand sehr dramatisch, bot aber keinerlei Annehmlichkeiten für Reisende. Wenn eine Karawane im Sommer in die Berge zog, musste sie sich beeilen, um bei Sonnenuntergang die erste Herberge an der Straße zu erreichen; zu jeder anderen Jahreszeit war eine solche Reise ohnehin unmöglich.
    Der Sonnenuntergang war, von dieser Warte aus betrachtet, eine wahre Pracht! Hier gab es keine Bäume, die den Horizont verdeckten, nur kahle Felsgrate, über die der Wind fegte und hinter deren westlichem Rand man den Abstieg des Sonnengottes in seiner ganzen Glorie bewundern konnte. Die Aussicht war überwältigender als damals vor Gansang. Vielleicht hatte er Gansangs Sonnenuntergänge auch einfach nicht genügend gewürdigt, weil ihn Colivars Zauber zur Verzweiflung trieben. Jetzt … hatten die Zauber entweder ihre Wirkung verloren, oder sie wirkten subtiler, gaben sich damit zufrieden, wenn er in die gewünschte Richtung

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