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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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Hellseherei war der schwierigste Bereich der Magie überhaupt, denn man konnte nur den möglichen Ausgang von Entwicklungen vorhersehen, die bereits in Gang gesetzt waren. Aber sie spielte ihre Rolle gut. Wenn jemand es genau auf Netandos Karawane abgesehen und entsprechende Pläne gemacht hätte, könnte sie davon Wind bekommen. Wenn die Absichten nicht so zielgerichtet waren, hatte sie ihre Zweifel … aber das brauchte Netando nun wirklich nicht zu wissen.
    Mittags hielten sie kurz an, um Rast zu machen. Netandos Diener spannten rasch einige große Zeltplanen auf, damit die Reisenden eine Weile vor dem ständigen Nieselregen geschützt blieben. Zumindest schirmten die Berge den Wind ein wenig ab. Urstis Männer überzeugten sich zweifach, dass das Öltuch über seinen Fuhrwerken auch gut befestigt war. Darunter ruhten in Behältern, die mit Wachssiegeln verschlossen waren, kostbare Gewürze und Duftstoffe. Der Nebel dämpfte die Gerüche.
    Sie brachen schon bald wieder auf, und wie auf ein Stichwort wurde der Regen stärker. Kamala überwachte mit einem magischen Ohr die fernen Bewegungen des Grundwassers und empfahl Netando an einer Stelle, die Karawane auf höheres Gelände zu führen. Er gehorchte ohne Widerrede. Es war ein erhebendes Gefühl, so viele Menschen so mühelos lenken zu können. Aber es war anstrengend, ständig auf alles achten zu müssen, nicht nur auf die Absichten von irgendwelchen Fremden in der Ferne, sondern auch auf den Fall des Regens oder auf Bewegungen im Erdreich … nach einigen Stunden fiel es ihr zunehmend schwerer, sich zu konzentrieren.
    Beinahe hätte sie das Licht übersehen.
    Sie stutzte und wusste zunächst nicht, was ihr eigentlich aufgefallen war. Der Regen war wie ein silberner Vorhang und ließ alles verschwimmen, was mehr als ein paar Meter entfernt war. Aber sie hatte den Eindruck, vorne auf der Straße etwas gesehen zu haben, keinen Gegenstand, sondern vielmehr … nun ja, ein Licht. Ein seltsames Licht, das aus dem Nichts kam und keinen Schatten warf.
    Sie zögerte einen Moment, dann klopfte sie an die Seitenwand der Kutsche, um Netando Bescheid zu geben. Zum Fahrer sagte sie: »Halt die Pferde an.« Der Mann sah sie überrascht an, wollte aber erst die Befehle seines Herrn abwarten. »Anhalten!«, rief sie so laut, dass es selbst in der regengesättigten Luft deutlich zu verstehen war.
    Netando öffnete die Läden und beugte sich heraus. Entweder hatte er sehr große Achtung vor ihren Fähigkeiten, oder ihr Gesichtsausdruck überzeugte ihn augenblicklich. Er rief ein paar Worte in einer unbekannten Sprache, und sein Kutscher riss die Pferde so heftig zurück, dass Kamala fast vom Sitz gefallen wäre. Die schwarzhäutigen Bewacher folgten seinem Beispiel, der Befehl pflanzte sich wie eine Welle durch ihre Reihen fort. Auch Urstis Männer gehorchten, die schweren Fuhrwerke kamen knirschend zum Stehen, und die Holzräder wühlten sich in den Schlamm.
    »Was gibt es?«, fragte Netando.
    »Ich weiß es noch nicht genau.« Ohne das seltsame Licht aus den Augen zu lassen, stieg sie vom Kutschbock. Der Boden war weich und schlammig, und sie war wieder einmal froh, an einem solchen Tag keine Frauenkleider zu tragen. Vorsichtig tastete sie sich bis ganz nach vorne durch und hielt dabei alle Sinne auf eine Stelle etwa zehn Meter vor den ersten Reitern gerichtet. Die Pferde stampften unruhig auf, als sie an ihnen vorbeiging, sie spürten, dass etwas nicht stimmte, wussten aber nicht, wie sie sich verhalten sollten.
    Als sie die Stelle mit dem Licht erreichte, war ihr klar, warum die anderen davon nichts sehen konnten. Eigentlich sollte sie das nicht überraschen. Sie besaß seit frühester Kindheit die Gabe des Zweiten Gesichts und hatte, schon bevor sie Aethanus Schülerin geworden war, an den Spuren der Macht gesehen, wo Hexen und Magister ihre Künste ausgeübt hatten.
    Solche Spuren sah sie auch hier.
    Der Schlammboden glühte. Auch die umstehenden Bäume strahlten, als hätte sich Leuchtmoos um ihre Stämme gelegt. Sogar auf den Blättern glitzerten nicht nur die Regentropfen, obwohl im allgegenwärtigen Nebel Einzelheiten nur schwer zu erkennen waren. Jemand hatte an dieser Stelle einen Zauber gewirkt, wahrscheinlich war die Energie zunächst in den Boden gegangen und hatte erst später auch die Pflanzen ringsum erfasst. Wer zauberte mitten im Nirgendwo? Und was wollte er damit erreichen?
    Wohl wissend, dass alle Bewacher sie jetzt beobachteten, streckte sie zögernd eine

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