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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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er aussah, war es nicht das erste Mal – und entschied, dass sie satt war. Jetzt beteiligten sich auch die Zuschauer an der Schlägerei, wie es so oft der Fall war, wenn Männer nichts Vernünftiges zu tun hatten. Ein Blutbad zur Unterhaltung. Sie schob ihren Stuhl zurück, stand auf und suchte nach einem sicheren Fluchtweg. Ein Gegenstand kam auf sie zugeflogen, aber sie lenkte ihn ab, ohne weiter darüber nachzudenken, und strebte an der Wand entlang der Tür zu. Mehrere der Gäste waren von der Rauferei so gefesselt, dass sie gar nicht bemerkten, wie sie sich vorbeidrängte. Einige schlossen sogar Wetten ab … nicht darüber, wer Sieger würde – das wäre zu einfach gewesen –, sondern wer mit den blutigsten Wunden, den übelsten Prellungen oder den schlimmsten Demütigungen das Schlachtfeld verließe.
    In diesem Moment wurde ihr Hass übermächtig. Sie hasste diese Männer und die Welt, aus der sie kamen, den Sumpf aus engen Gassen und baufälligen Häusern, der so elende Kreaturen hervorbrachte, den Gestank und den Schmutz dieser Stadt und all ihrer Bewohner. Ihr Hass war so stark, dass die Macht in ihrem Inneren erwachte wie eine giftige Schlange und sie sie mit aller Kraft niederhalten musste, damit sie sich nicht losriss und alles verschlang.
    Das ist nicht mehr meine Welt.
    Der Gedanke zerriss ihr das Herz, als sie in die warme Nachtluft hinaustrat. Nicht, weil diese stinkende Stadt in irgendeiner Weise begehrenswert gewesen wäre oder sie zu ihren Bewohnern hätte gehören wollen … sie war jetzt mehr als ein Mensch und hatte mit den Dieben und Huren des »Viertels« weniger gemeinsam als diese mit den Ratten auf ihren dreckigen Straßen, aber die jähe Erkenntnis, dass sie nirgendwohin gehörte, war bestürzend. Bei Aethanus im Wald hatte sie Frieden gefunden, aber auch das war nicht ihre Welt gewesen. Und Gansang war ihr fremd geworden. Sie wurde von einer inneren Unruhe getrieben, für die sie nicht einmal einen Namen hatte, einer Mischung aus Macht und Schmerz, die diese schlichte Umgebung sprengte. Sie sehnte sich … wonach eigentlich? Wie sollte die Heimat aussehen, die sie sich wünschte? Wie die Menschen, denen sie sich in ihrer neuen Existenzform zugehörig fühlen könnte?
    Solchen Träumereien hing sie nach, als plötzlich hinter ihr die Tür aufgerissen wurde und eine Horde Männer auf die schlammige Straße taumelte. Ein dichter Schwall von Bierdunst, vermischt mit abgestandenem Schweiß, wehte ihnen voran, und Kamala stand kurz davor, sich übergeben zu müssen. Hatte es diese Männergerüche in ihrer Jugend wirklich nicht gegeben, oder waren sie so allgegenwärtig gewesen, dass sie ihr nicht aufgefallen waren? Sie beruhigte ihren Magen mit einem Hauch von Athra, dann wandte sie sich ab, um diese Schenke schnell so weit wie möglich hinter sich zu lassen …
    … doch da legte sich eine schwere Hand auf ihre Schulter, sie wurde herumgedreht, Wams und Hemd wurden aufgerissen. Die kostbaren Metallknöpfe flogen davon, unter dem Stoff quoll eine ihrer Brüste hervor.
    »Seht ihr?« Der Mann, der sie gepackt hatte, wies mit unsicherer Geste auf die Zuschauer. Er war breit und stämmig, seine Kleider verströmten einen leichten Harngeruch; wahrscheinlich ein Lodenmacher, der bis zu den Ellbogen in der Pisse stand, wenn er einmal seine Arbeit tat, anstatt sich zu betrinken. »Ich hab’ doch gleich gesagt, es ist ein Mädchen!«
    Kamala spürte, wie sich die Schlange in ihrem Leib weiter aufrichtete. Gefährlich, sehr gefährlich. Diese Männer hatten keine Ahnung, mit was für einem Feuer sie spielten.
    Sie beherrschte sich eisern, streckte nur die Hand aus und rief die abgesprungenen Knöpfe zurück. Sie flogen ihr in die Hand. Zwei Männer keuchten bei diesem Beweis der Macht erschrocken auf, aber die meisten waren zu betrunken, um die Geste richtig zu deuten. Es war eine Warnung gewesen. Kamala wandte sich zum Gehen, aber die feiste Pranke riss sie zurück, diesmal so heftig, dass sie fast das Gleichgewicht verloren hätte.
    »Was ist los, Hexe? Ist dir unsere Gesellschaft nicht gut genug?«
    Einer der Jüngeren kicherte. Jetzt kamen sie alle näher, die einen wollten es so, die anderen liefen in ihrem Rausch nur blindlings hinterher.
    Einem hatte der Alkohol das Gehirn offenbar noch nicht völlig durchtränkt. »Mit Hexen fickt man nicht …«
    »Von wegen! Hast du noch nicht gehört, wo ihre Macht herkommt?«
    »Ich habe gehört, sie sind da unten so heiß, dass sie einem Mann die

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