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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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am wenigsten darauf gefasst war. Diesmal hatte er Glück, dass er noch lebte. Ein gut gekleideter Reisender, der hilflos am Straßenrand lag, war wie eine Einladung für Diebe und Räuber oder sogar für Sklavenhändler, wenn gerade der Falsche des Weges kam. Er war eindeutig am Leben, er lag nicht in Ketten, und jemand hatte seine Wunden versorgt, es hätte also schlimmer sein können … aber beim nächsten Mal kam er vielleicht nicht mehr so glimpflich davon.
    Wenn die Krankheit so weit fortgeschritten war, dass sie ihn ohne Vorwarnung mit solcher Heftigkeit überfallen konnte, ging die Reise vielleicht wirklich über seine Kräfte.
    Seine Lippen wurden schmal; unter dem Kopfverband begann die Wunde schmerzhaft zu pochen. Nein.
    Seine Freunde bezweifelten manchmal im Scherz, dass er tatsächlich Dantons Sohn sei. Er hätte weder die Haut- und Haarfarbe seines Vaters, noch dessen harte Züge, die selbstverständliche Grausamkeit oder eine der anderen Eigenschaften, die allgemein als Wahrzeichen von Dantons Geschlecht galten. Andovan hatte Verständnis für die Witzeleien seiner Kameraden und schmunzelte oder lachte dazu. Doch in einem Punkt war er wirklich und wahrhaftig der Sohn seines Vaters, und das war seine Hartnäckigkeit.
    Er war ohne Titel und ohne Beziehungen, lediglich mit begrenzten Vorräten versehen, in die Welt hinausgezogen, ohne einen Plan, wo er mit seiner Suche beginnen sollte, nur mit dem festen Entschluss, die Frau zu finden, die für seine Schwäche verantwortlich war, und mit einem unbekannten und nie erprobten Zauber, der ihm dabei helfen sollte. Und das, obwohl die Schwäche zunehmend an seinen Kräften zehrte und ihn gelegentlich so hilflos machte wie einen Säugling. An diesem Bild hatte sich nichts geändert. Jeder Schwachkopf wusste, dass die Symptome der Schwundsucht zum Ende hin immer deutlicher zutage traten. Er hatte zwar noch nie gehört, dass man davon das Bewusstsein verlor, aber ausschließen konnte er es nicht. Nun gut. Wenn solche Ohnmachten eine neue Erscheinung waren, würde er auch damit zu Rande kommen. Er war Dantons Sohn und würde die Suche nicht einfach aufgeben, weil sein Körper von einer Krankheit befallen war. So sehr sie ihn auch behinderte.
    »Seid Ihr wach?«
    Eine Frauenstimme, sanft und etwas zögerlich. Er wollte sich auf die Ellbogen stützen, um zu sehen, wer da mit ihm sprach, und hätte es auch fast geschafft. Wenn er jetzt den Kopf drehte, konnte er zumindest den Raum genauer betrachten. Die Wände bestanden aus gespaltenen Stämmen, die wenig fachmännisch mit Lehm und Stroh verschmiert waren. Er lag vor einer kalten Feuerstelle auf einem von fünf Strohsäcken; die anderen waren derzeit unbesetzt. Durch ein kleines Fenster in einer Wand fielen neckische Sonnenstrahlen, in denen der Staub tanzte. In diesem Licht unterschied er primitive Werkzeuge an Eisenhaken, einen Stapel schmuddeliger Decken und neben der Feuerstelle alte Geschirre aus ehemals bunt bemalter Keramik, die jetzt weniger erhabenen Zwecken dienten. Der Raum wirkte ärmlich, aber sauber, und die Binsen auf dem Boden rochen frisch. Jemand war bemüht, das Hauswesen in Ordnung zu halten.
    Dann sah er sie. Ein Mädchen, noch jung, noch keine Frau, aber auf eine Weise hübsch, die mehr versprach, wenn sie heranreifte. Ihre Kleider waren vielfach geflickt, aber rein, und das Haar hatte sie gebürstet, bis es glänzte. Eine Seltenheit in einem Bauernhaus.
    Blaue Augen. Sie hatte blaue Augen, die ihn seltsam an die Augen seiner Mutter erinnerten. Ob sie wohl nordisches Blut in den Adern hatte?
    »Geht es Euch besser?«, fragte sie.
    Er schaffte es zu nicken, ohne dass ihm der Kopf zersprang – ein kleines Wunder. Dann brachte er, ein noch größeres Wunder, sogar ein Lächeln zustande. »Wenn man bedenkt, dass ich auch tot sein könnte, geht es mir sogar gut.«
    »Meine Brüder hätten nicht gedacht, dass Ihr überlebt.«
    »Dann waren mir die Götter gnädig … vielleicht hatte ich auch eine gute Pflegerin.«
    Sie errötete und bestätigte damit seine Vermutung.
    Die ahnen ja nicht, wen oder was sie da gerettet haben , dachte er.
    Er arbeitete sich zum Sitzen hoch. Auf halber Höhe half sie ihm, daher wusste er nicht, ob er es auch allein geschafft hätte, aber schon dieser kleine Sieg über Schwäche und Schmerzen hob seine Stimmung beträchtlich.
    »Wie heißt du, Kind?«
    Vielleicht lag es an seinem Tonfall, dass sie kurz die Augen niederschlug, als ahnte sie, wen sie vor sich hatte.

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