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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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Vielleicht … vielleicht war es auch mädchenhafte Scheu. Jung genug wäre sie, obwohl es gerade bei den Armen mit der Unberührtheit meist bald vorbei war. Hübsche Mädchen, die noch Jungfrau waren, brachten auf dem freien Markt zu viel ein, um sie lange zu Hause zu halten.
    »Dea, Herr.«
    »Dea.« Er lächelte, obwohl dabei die Wunde schmerzte. »Bitte nenn mich nicht Herr .« Sie war so ehrerbietig, dass er sich Sorgen machte. War es so offensichtlich, dass er nicht aus einem Dorf stammte? Das musste er ändern, wenn er sich wieder auf Wanderschaft begab. Wenn er sich überzeugender für einen Bauern ausgeben konnte, bewahrte ihn das vielleicht davor, noch einmal ausgeraubt und beinahe umgebracht zu werden. »Ich heiße …« Er zögerte kurz und suchte hinter den Schmerzen nach dem Namen, den er sich gewählt hatte. »Talesin.«
    »Talesin.« Sie lächelte. Wenn ihr Körper sich rundete, würde sie eine richtige Schönheit werden, vorausgesetzt, die Welt fiel nicht schon vorher über sie her und zerstörte die natürliche Unschuld, die ihr Lächeln so reizvoll machte. Womit freilich zu rechnen war.
    Seufzend versuchte er aufzustehen und war überrascht, als es ihm gelang. Sein Körper hatte sich wohl mit dem Weiterleben abgefunden und war nun doch bereit, mit ihm zusammenzuarbeiten. »Wo sind deine Brüder? Ich nehme an, dass sie es sind, die mich gerettet haben?«
    »Ich habe Euch gefunden. Sie haben Euch hierher gebracht. Sie sagten …« Sie zögerte. »Sie meinten, Ihr wärt ein vornehmer Herr, und wenn Ihr überlebtet, könnten sie vielleicht auf eine Belohnung hoffen.«
    Und ob, nur wissen sie leider nicht, an wen sie sich wenden müssten , dachte er spöttisch.
    »Ich habe Schwielen an den Händen«, wandte er ein und zeigte ihr die Spuren, die ein Leben im Sattel und auf der Jagd hinterlassen hatten. »Spricht das für eine vornehme Herkunft?«
    »Eure Fingernägel sind sauber«, hielt sie dagegen und zeigte es ihm. »Und nicht von der Arbeit abgeschliffen, sondern säuberlich zu Halbmonden geschnitten.«
    Er lachte leise. »Das ist richtig.«
    Ich muss also lernen, mir die Nägel abzukauen. Hätte ich das allerdings schon früher getan, dann hätten mich meine geldgierigen Retter für tot liegen lassen. Das Schicksal treibt schon seltsame Spielchen.
    »Sag mir, was du weißt«, bat er. »Wie lange liege ich schon hier?«
    »Ich habe Euch letzte Nacht gefunden, als ich das Dorf verließ. Ihr lagt mit dem Gesicht nach unten so dicht neben der Straße, dass Euch die Wagenräder noch streifen konnten. Euer Gesicht war blutüberströmt, und Eure Kleider …« Sie errötete leicht und schaute zu Boden. »Ihr wart nur noch halb angezogen, so als hätte jemand Eure Kleider durchwühlt.«
    Um nach Wertsachen zu suchen und sie mir abzunehmen , dachte er. Ein Glück, dass die Wegelagerer keine neue Garderobe gebraucht hatten. »Weiter.«
    »Ich holte Viktor, meinen Bruder, und der brachte die anderen mit. Sie trugen Euch hierher und besorgten alles, was nötig war, um Euch zu verbinden. Sie dachten, Ihr würdet sterben, aber ich … ich sah, dass noch Kraft in Euch war.«
    »Es war also nur eine Nacht?«
    Sie nickte.
    Er tastete seinen Körper nach den Dingen ab, die er bei sich getragen hatte. Natürlich war nichts mehr davon vorhanden. Was die Diebe nicht gestohlen hatten, befand sich gewiss in den Händen seiner Retter.
    »Geht es Euch gut?«, fragte sie.
    »Ich kann sprechen, und ich kann stehen, es geht mir gut.« Das Stehen fiel ihm zwar nicht ganz leicht, aber das würde er ihr nicht verraten. »Und die Fährte wird allmählich kalt.«
    »Fährte?«, fragte sie verwundert. »Ihr meint, Ihr wollt sie verfolgen?«
    »Das bietet sich doch an, nicht wahr?«
    »Aber Eure Verletzungen … Ihr braucht noch Ruhe …«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich kann meine Chance nützen und sie jetzt verfolgen, oder ich nehme mir die Zeit zur Genesung und gebe alle Hoffnung auf, sie jemals wiederzufinden. Schließlich«, sagte er und sah ihr lächelnd in die Augen, »kann ich dich und deine Brüder kaum belohnen, wenn mein ganzes Geld weg ist.«
    Andovan/Talesin betastete abermals den Verband und zog ihn dann mit schmerzverzerrtem Gesicht ab. Darunter war die Haut mit geronnenem Blut verkrustet, aber offenbar einigermaßen heil. Der Schmerz hatte nachgelassen, er spürte nur noch ein dumpfes Pochen hinter dem linken Auge. Nun, er hatte schon Schlimmeres überlebt.
    Er sah sich in dem kahlen Raum um und suchte nach

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