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Die Seelenjägerin

Die Seelenjägerin

Titel: Die Seelenjägerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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bezahlen für das, was sie mir angetan hat.
    Er wollte sich aufrichten und sein Bett verlassen, doch ein heftiger Schmerz warf ihn jäh zurück. Er rang nach Luft. Seine Glieder waren schwer wie Blei, und sein Kopf fühlte sich an, als hätte man ihn in zwei Teile gespalten. Zunächst lag er nur mit geschlossenen Augen da und bemühte sich, Herr über den Schmerz zu werden. Und sich zu erinnern, was ihn ausgelöst hatte. Aber die Erinnerung ließ sich nicht fassen, und als er die Augen aufschlug, sah er über sich eine unbekannte Zimmerdecke. Er drehte mühsam den Kopf zur Seite – es dauerte mehrere Minuten, und sein Gehirn wehrte sich mit wildem Hämmern gegen jeden gewonnenen Zoll – und erkannte, dass ihm der übrige Raum ebenso fremd war. Diese derben, kunstlos mit Lehm und Stroh abgedichteten Blockhauswände hatte er noch nie zuvor gesehen.
    Wo im Namen der Götter bin ich?
    Dann übertönte ein scharfer Stich in die Schläfe das Pochen, und er schaffte es, mit einer Hand die Stelle zu betasten, obwohl sein Arm so schwer war wie Blei. Verbände. Er spürte Verbände. Um seine Stirn gewickelt. Grobes Leinen, wie es sich anfühlte, eine oder zwei Schichten, fest übereinander. Er drückte gegen den Stoff, um noch mehr zu erfahren. Der Schmerz ging von einem Punkt über der linken Schläfe aus, als er ihn berührte, schoss ihm ein feuriger Pfeil durch den Schädel. Dort war der Verband mit einer zähen Masse durchtränkt. Er dachte zuerst, es wäre halb geronnenes Blut, doch als er die Hand wegnahm und die Finger betrachtete, erkannte er Kräuterkrümel in einem weißen, nach Essig riechenden Brei. Wahrscheinlich irgendeine Heilsalbe. Also … hatte sich jemand um ihn gekümmert. Aber wer? Und wo war er? Was war mit ihm geschehen?
    Er wollte sich aufsetzen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht.
    Also versuchte er weiter, sich zu erinnern. Dabei konnte er wenigstens die Augen schließen. Das war eine kleine Erleichterung, denn selbst das bisschen Licht, das durch die kleinen Fenster kroch, bereitete ihm Schmerzen.
    Er hat saures Bier im Magen, Speisen, die zu alt sind für den menschlichen Verzehr, Bauernkost, die im schlimmsten Fall unverdaulich ist. Er kehrt zurück in den Wald, denn er will heute Nacht lieber in der Wildnis schlafen als auf die Gastfreundschaft von Fremden angewiesen zu sein. Noch eine Nacht in einer verkommenen Absteige, wo alles nach Nachtgeschirr riecht und ihn der gesammelte Schweiß eines ganzen Arbeitslebens mit seinem Gestank zu ersticken droht, und die Schwundsucht wäre womöglich nicht das Einzige, was ihn krank macht. Nein, im Wald ist die Luft rein und frisch, und er hat auf seinen Jagdausflügen so oft auf der Erde geschlafen, dass er sich hier wie zu Hause fühlen wird. Vielleicht kann er das widerliche Essen wieder erbrechen und sich dafür etwas Frisches fangen. Noch ist es nicht vollends dunkel geworden, das heißt, die Nachttiere kommen allmählich heraus und suchen nach Futter oder Beute … wenn er Glück hat, läuft ihm ein Reh über den Weg … die Jagd würde ihn aufmuntern, denkt er, und sein Magen würde die Abwechslung sicherlich begrüßen.
    Wie lange mag er schon auf das Versteck zugegangen sein, wo er sein Pferd angebunden hat, bevor er merkt, dass ihn Schritte verfolgen? Er verhofft fast wie ein Reh, wenn der Jäger naht. Dann bleibt er kurz stehen und zieht an einem ledernen Schulterträger seines Ranzens, als wollte er ihn zurechtrücken. Jetzt hört er keine Schritte mehr. Natürlich nicht, die anderen haben mit ihm angehalten. Aber er spürt, dass Menschen hinter ihm sind, er riecht ihre Ausdünstungen und hört ihre flachen Atemzüge. Die Dummköpfe halten ihre Bewegungen wahrscheinlich für lautlos, überlegt Andovan. Aber er kann sich an Wildtiere heranpirschen, die viel leiser sind, als ein Mensch jemals sein kann, und seine Nase ist so empfindlich wie die eines Wolfs. Seine Verfolger machen genug Lärm, um ein Reh auf dreißig Schritt zu verscheuchen, und ihr Gestank würde selbst einem Wolf mit Schnupfen nicht entgehen.
    Als er sich wieder in Bewegung setzt, horcht er auf das trügerische Echo hinter sich, die Schritte der Verfolger. Ja, kein Zweifel möglich. Langsam und vorsichtig führt er die rechte Hand nach vorne und umfasst den Griff des Jagdmessers, das er immer am Gürtel trägt. Sie werden vermutlich warten, bis er den Rand des Dorfes erreicht, wo es kaum noch Zeugen für ihre wie auch immer gearteten Pläne gibt. So gehen Feiglinge und Diebe

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