Die Seelenjägerin
duftenden Gärten voll tanzender Mädchen heraufbeschwor. Kamala vermochte kaum alles aufzunehmen; sie sah sich wie benommen um und suchte sich zurechtzufinden, während Ravi sie einer nicht enden wollenden Reihe von Honoratioren vorstellte.
Man hatte ihr beigebracht, Gansangs Pfauen angemessen zu begrüßen, und das war gut so, denn fast eine Stunde lang kam sie zu nichts anderem. Offenbar musste jeder einzelne Mann im Saal Ravi seiner Wertschätzung versichern, und jede Frau fand irgendeinen Vorwand, um sich Kamala genauer anzusehen. Sie brauchte keine Magie, um das Begehren der Männer zu spüren, die ihr die Hand küssten, oder den kalten Neid in den Gesichtern der Frauen zu sehen, die an ihr vorbeidefilierten. War es ihr schlanker, biegsamer Körper in seinem Panzer aus farbiger Seide, der die Männer anzog, oder einfach die Tatsache, dass sie neu war, ein Rätsel, eine Trophäe, die Ravi sich gesichert hatte, bevor jemand anderer Gelegenheit dazu fand? Sie hatte genügend Erfahrung mit den schwarzen Abgründen männlichen Verlangens, um sich noch Illusionen zu machen: Nichts weckte die Lust eines Mannes mehr als der Anblick einer Frau, die er nicht haben konnte.
Die ganze Zeit über bekam sie keinen einzigen Magister zu Gesicht. Dabei war sie in Gedanken so sehr mit ihnen beschäftigt, dass es ihr schwerfiel, sich auf jemand anderen einzulassen. Selbst die Darbietungen, ein breites Angebot von Gauklern über Feuerschlucker bis zu einem Sextett aus halbnackten Tänzerinnen von einer exotischen Insel, konnten sie nicht fesseln. Unter anderen Umständen wäre sie hingerissen gewesen – begeistert, dies alles von einem Ehrenplatz aus sehen zu dürfen, anstatt aus irgendeinem Versteck in den Schatten einen verstohlenen Blick zu erhaschen – aber heute Abend hatte sie nur eines im Kopf.
Und dann sah sie ihn. Oder spürte vielmehr im Nacken den kalten Hauch seiner Macht, den kein Magister missdeuten konnte. Sie blickte hinauf in die Schatten oberhalb des Saales, um zu sehen, wo der Zauber herkam. Über die Wände des runden Raumes zogen sich in verschiedenen Höhen Emporen und Galerien, die durch ein Netz von Treppen verbunden waren. Die obersten Balkone waren klein und dunkel, dort war man einigermaßen ungestört. Sie erspähte Liebespärchen, die sich in Nischen aneinanderpressten, Kaufleute, die außer Hörweite der anderen Gäste im Flüsterton Geschäfte abschlossen, Patrizier, die Intrigen planten, und natürlich auch ein paar Einzelgänger, die einfach einen Platz suchten, von dem aus sie die Festlichkeiten im Saal beobachten konnten, ohne jemanden anlächeln zu müssen.
Dort oben stand auch einer der Magister – so still, als wäre er selbst aus Stein, und so schwarz wie die Schatten, die ihn umgaben. Sobald sie sich in seine Richtung wandte, wusste sie mit tödlicher Sicherheit, dass sein Blick auf ihr ruhte, und spürte, wie er mit dem eisigen Finger seiner Macht über sie hinstrich, um zu erfahren, wer sie war, woher sie kam und was sie vorhatte. Sie wehrte diesen Finger fast mühelos ab, das gehörte zu den ersten Dingen, die Aethanus sie gelehrt hatte. Sie bedauerte nur, das Gesicht des Magisters nicht deutlicher sehen und nicht abschätzen zu können, wie er reagierte, als sein Zauber versagte. Hatte er bereits gehört, dass sie eine Hexe war, oder hatte sie ihn erst damit darauf hingewiesen, dass sie über eigene Kräfte verfügte?
Sie stieg eine Treppe hinauf, strebte aber nicht auf den Magister zu, der wie ein Wasserspeier auf den Saal herabstarrte – seine Haltung machte deutlich, dass er niemanden um sich dulden würde –, sondern suchte sich einen höher gelegenen Aussichtspunkt, um nach anderen Vertretern seiner Zunft zu suchen. Die schweren Röcke ein wenig höher raffend, als es sich für eine Dame geziemte, erklomm sie einen schmalen Balkon und wurde von einer Gruppe sichtlich nicht mehr ganz nüchterner junger Männer eingeladen, mit ihnen zusammen derbe Scherze über die Gesellschaft im Saal zu machen. Sie zwang sich zu einem höflichen Lächeln und ging weiter. Auf einer tief in die Wand eingelassenen und mit Wappenschildern geschmückten Galerie fand sie endlich, was sie suchte – ein bequemes Plätzchen, das ihr einen guten Überblick über den ganzen großen Saal mit seinen Balkonen bot; sie schob eine Bank an die Brüstung, zog ihre Schleppe unter sich, damit kein Vorbeigehender darüber stolpern konnte, und kniete sich darauf.
Da sie jetzt wusste, wo sie zu suchen hatte,
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