Die Seelenkriegerin - 3
Nun wird auch ein schwächerer Magister seinen Anforderungen genügen, und ich kann mich uneingeschränkt auf wichtigere Dinge konzentrieren.« Seine schwarzen Augen wurden schmal, er beobachtete Ramirus scharf und warf gezielt seine magischen Netze aus, um auch das leiseste Gefühl einzufangen, das unter dieser glatten Maske hervorschlüpfen könnte. Sein alter Rivale spürte natürlich, was er da tat, verzog jedoch keine Miene. »Damit wird schon bald eine langjährige Barriere zwischen uns abgebaut.«
Ramirus starrte ihn zunächst nur schweigend an. Sicherlich spürte er die magischen Fühler, mit denen Colivar in seine Seele einzudringen suchte, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen. »Ich glaube, du täuschst dich in mir«, sagte er endlich. Er hatte jegliche Empfindung streng aus seiner Stimme verbannt, und sein Gesicht war wie aus Stein. »Ich habe keinen Kontrakt mit dem Großkönig. Deine Ränkespiele sind daher … gegenstandslos.«
Damit machte er ohne ein weiteres Wort kehrt und ging den gleichen Weg zurück, auf dem er gekommen war. Als er sich der eisenbeschlagenen Tür näherte, befahl er ihr, sich zu öffnen und wieder zu schließen, sobald er in der Burg war. Von Colivar verabschiedete er sich mit keinem Wort, er würdigte ihn nicht einmal eines Blickes.
Der Magister lachte leise. Der abrupte Abgang überraschte ihn nicht. Ramirus hatte natürlich Bedenken gehabt, ob er seine Gefühle vor Colivars Zauberblick verbergen könnte. Deshalb hatte er sich außer Reichweite gebracht, bevor ihm etwas entschlüpfte, was sein Kontrahent auffangen und analysieren konnte. Colivar störte das nicht weiter. Für ihn zählte nur, dass Ramirus seine Nachforschung wahrgenommen hatte und wusste, wie sehr er sich für seinen Kontrakt mit dem Haus Aurelius interessierte. Daraus würde er den Schluss ziehen, der erste Teil ihres Gesprächs sei lediglich belangloses Geplauder gewesen, um ihn einzulullen. In Wirklichkeit, würde er sich sagen, habe Colivar nur wissen wollen, welcher Magister mit dem Großkönig verbündet war; alles andere sei ein Ablenkungsmanöver gewesen. Colivar habe sich bereits dadurch verraten, dass er seine eigenen Gedanken mit so undurchdringlichen Schutzzaubern umgeben hatte, als das Gespräch auf das Haus Aurelius kam, damit sei klar, wo sein wahres Interesse lag.
Was für ein Filz von Lüge und Täuschung. Ramirus würde die nächsten Stunden damit verbringen, die einzelnen Gesprächsfäden zu entwirren und zu bestimmen, welche Worte am schwersten gewogen hatten, beziehungsweise, was ihn von der Fährte hatte abbringen sollen. Ging es Colivar mehr darum zu erfahren, wer tatsächlich als Königlicher Magister in Salvators Diensten stand oder wie es ganz allgemein um Anchasas politisches Ansehen bestellt war? Colivar hatte jedes Wort in mehrere Schichten Zauberei verpackt und jede Spur eines ehrlichen Gefühls gelöscht, sodass Ramirus auf die profaneren Anhaltspunkte wie Tonfall, Gesichtsausdruck und Körperhaltung zurückgreifen musste – und natürlich auf die Erfahrung, dass ein Magister seine Privatsphäre nur dann so aufwendig schützte, wenn er Geheimnisse zu bewahren hatte.
Und die einzige Auskunft, an der Colivar wirklich gelegen war – der Grund, warum er Ramirus überhaupt zu diesem Gespräch eingeladen hatte –, würde als banale Irreführung eingeordnet werden und unbeachtet bleiben.
Was er natürlich von vornherein beabsichtigt hatte.
Er weiß nicht, wer Kamala ist.
Ramirus hatte die Frau, die ihnen in Alkal geholfen hatte, und die Mörderin des Magisters namens Rabe in Gansang eindeutig noch nicht miteinander in Verbindung gebracht. Das bedeutete, dass Ramirus Colivars früher geäußerte Vermutung, der Mörder des »Raben« könnte ein Magister gewesen sein, bisher nicht auf Kamala bezog. Ramirus verfügte ebenso wie Colivar über alle Steinchen des Mosaiks, aber er wusste sie noch nicht zu einem Bild zusammenzusetzen.
Also konnte Colivar mit Kamala verfahren, wie es ihm beliebte … jedenfalls bis auf Weiteres.
Der Magister war zufrieden. Er transformierte in seine Lieblingsgestalt – einen übergroßen Rotschwanzhabicht – und flog nach Westen, wo ein ganz bestimmter Baum auf ihn wartete.
Kapitel 5
Kamala kreist weit, weit oben besorgt über dem Turm, als Rhys und seine Krieger das schmale Gebäude hastig verlassen. Sie zwängen sich durch die Fenster mit den rauen Laibungen, klammern sich, vom Wind gebeutelt, an die Steinfassade und krallen die Finger in jeden
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