Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
eines Heiligen Hüters, der die Herausforderung zum Paarungskampf imitiert, kann ausreichen, um ein Männchen zur Raserei zu treiben. Deshalb würde ich dir dringend davon abraten, solche Instinkte in uns – und in dir selbst – zu wecken.«
Er sah sie schweigend an, dann trat er einen Schritt auf sie zu. So nahe, dass er ihre Wärme spürte und der Wind ihm ihren Duft zutrug. Wie aus weiter Ferne sah er sich selbst ein zweites Mal die Hand zu ihrer Wange heben. In ihrem Blick lag Misstrauen, doch sie wich nicht zurück. Ihre Haut war warm, obwohl die Luft so eisig war, und sie weckte Erinnerungen an eine andere, alles verzehrende Hitze, die er allzu lange verdrängt hatte. Das Tier in ihm witterte Schwäche und regte sich in seinem Gefängnis; er zog die Hand rasch zurück, als hätte er sich verbrannt.
»Kein Mann kann dir erklären, was du bist«, sagte er leise. »Du musst dein Wesen selbst erkunden. Ich musste das auch tun.«
Der Teil von uns, der menschlich ist, wird dich fürchten. Der Teil von uns, der Ikata ist, wird dich begehren. Diese beiden Elementargefühle geben dir die Macht, uns alle zu vernichten.
Mehr wagte er nicht zu sagen. Er trat schweigend zurück und beschwor die Macht, die er für die Transformation brauchte. Gleich darauf fingen seine breiten Schwingen den Wind ein, und er hob vom Berg ab und schwebte hinab auf das Wolkenmeer. Dabei formte er die Luftströmungen mit seinen Zauberkräften so um, sodass sie stark genug waren, ihn zu tragen.
Er hörte nicht, ob sie noch etwas zu ihm sagte.
Kapitel 17
Sula stand allein in der Wüste. Die Luft flimmerte vor Hitze. Hin und wieder wirbelte der Wind den Sand auf und drehte daraus ein langes Band, das wie ein trunkener Tänzer über die Landschaft fegte. Rasch vergängliche Schönheit inmitten völliger Ödnis: der Widerspruch seiner neuen Heimat. Das schräg einfallende Licht der Abendsonne hinterlegte einzelne Merkmale der Landschaft mit tintenschwarzen Schatten und ließ sie scharf hervortreten. Besonders ein Schatten erschien ihm symmetrischer als die meisten anderen, und er strebte darauf zu, um zu erkunden, was für ein von Menschenhand geschaffenes Bauwerk wohl an einem solchen Ort existieren konnte.
Beim Näherkommen sah er, dass auf dem Treibsand ein großes Zelt im Stil der Wüstennomaden errichtet worden war. Und schon war er dort. Der schattige Innenraum wirkte einladend kühl, und beim Eintreten fühlte er sich wie bei einem Kopfsprung in einen Bergsee. Drinnen brannte Weihrauch oder ein anderes Duftkraut; ein süßlicher Geruch, angenehm exotisch, den er nicht einordnen konnte, erfüllte das Halbdunkel. Er blinzelte, bis sich seine Augen allmählich an die Dunkelheit gewöhnten und Teile der Einrichtung unterscheiden konnten. Auf dem Boden lagen dicke Teppiche mit arabesken Mustern. Kissen mit aufgestickten Glitzerspiegeln blitzten auf, wenn ein Sonnenstrahl darauffiel. Auf einem niedrigen Tischchen mit Elfenbeinintarsien stand ein prächtiges Weinservice aus Sterlingsilber mit zwei Pokalen, deren Ränder mit Edelsteinen im Cabochonschliff besetzt waren. Eine reich verzierte Wasserpfeife stand daneben. Wem immer dieses Zelt gehören mochte, ein einfacher Stammesmann war es nicht.
»Willkommen, Sula.«
Erschrocken drehte er sich um. Die Hexenkönigin lag am anderen Ende auf einem Bett. Sie trug ein ärmelloses weißes Gewand, das ihre kupferbraune Haut zum Leuchten brachte. Bronzeschmuck in Stammesmustern zierte ihren Hals, die bloßen Arme und das Haar. Wie immer war sie von erlesener Schönheit, und früher hatte er sie sehr anziehend gefunden, doch seit er wusste, was sie war – wozu sie geworden war –, hatte ihre Wirkung auf ihn deutlich nachgelassen.
Er trat einen Schritt zurück, sah sich nach verborgenen Gefahrenquellen um und versetzte seine Macht in Bereitschaft für einen möglichen Angriff.
»Still, mein Liebster.« Ihre Stimme tropfte wie flüssiges Silber durch das Halbdunkel. »Es ist nur ein Traum. Ich wollte mit dir sprechen, und so konnte ich dich am besten erreichen. Ohne Gefahr für dich oder mich, nicht wahr?«
Als sie sich erhob, floss die feine Seide ihres Gewandes wie Wasser über die sanften Rundungen ihres Körpers. Sula musste an die Nacht denken, in der sie ihn zum ersten Mal verführt hatte – die unglaublich glatte Haut, ihre warme Zunge –, und hatte Mühe, sich von diesen Erinnerungen wieder loszureißen, als sie sein Blut in Wallung brachten. Was immer sie mit dieser Traumwelt
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