Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
verstand er auch, woher dieses Gefühl kam. Tief in seinem Inneren wollte ein Körnchen seines Wesens, das nicht menschlich war, ihr Angebot annehmen. Das Verlangen war stark. Und für einen kurzen Moment entwickelte es sozusagen ein Eigenleben. In diesem Moment glaubte Sula, den Seelenfresser in sich zu spüren. Und er spürte auch diesen Hunger nach Macht über seine Artgenossen, den ein bloßer Mensch nicht nachempfinden konnte. Er fühlte sich angewidert, doch zugleich seltsam beglückt, und wusste nicht, ob er vor diesen Gefühlen weglaufen oder sie genießen sollte.
Ob sie wohl die Wahrheit über die Magister kannte? , fragte er sich plötzlich. Diese Frau war berüchtigt dafür, dass sie Geheimnisse sammelte, ihr war alles zuzutrauen.
»Ich bin nicht der einzige Magister, der dir nichts schuldet«, wandte er ein. »Andere wären für ein solches Bündnis besser geeignet als ich. Warum schickst du ihnen nicht deine Träume?«
Sie lachte leise. »Weil du noch jung bist, Sula. Noch sehr menschlich nach den Maßstäben der Zauberer. Zu einer Leidenschaft fähig, die den anderen abgeht. Und Leidenschaft ist in diesem Fall unerlässlich.« Sie hielt inne. »Die Seelenfresser reagieren nicht auf den Verstand. Ich kann nicht an der Seite eines Mannes über sie herrschen, der nichts anderes kennt.«
Er zog langsam den Atem ein. Es hatte ihm die Sprache verschlagen.
»Du bist überrascht«, murmelte sie.
»Es war … nicht das, was ich erwartet hatte.«
»Dass ich einen Mann suche, mit dem ich meinen Thron teilen kann?« In ihren Augen flackerte so etwas wie schwarzer Humor. »Oder dass du derjenige sein würdest?«
»Ja.«
Sie setzte den Pokal an die Lippen, ohne ihr Lächeln ganz zu verbergen, und nippte. Er sah, wie ihre Nüstern sich sachte blähten wie bei einem Raubtier auf der Jagd. Dieses Bild beunruhigte ihn seltsamerweise mehr als alles andere zusammengenommen.
»Die Seelenfresser können nicht von einer Frau beherrscht werden«, wiederholte sie. »Nicht von einer Frau allein . Dazu ist ein Paar erforderlich.« Sie legte ihm eine Hand an die Wange. Warm, so warm … Der Duft vergangener Ausschweifungen entströmte ihren Fingerspitzen. »Ein Liebespaar«, flüsterte sie.
Er wollte ihre Hand wegschieben, doch damit hätte er sie sozusagen zur Siegerin erklärt. »Du verlangst viel von mir.«
»Ich biete auch viel.«
»Warum willst du überhaupt einen Magister? Gibt es nicht Männer, die auf Seelenfressern reiten? Sind sie dir nicht leidenschaftlich genug? Warum willst du ihnen einen Außenseiter vor die Nase setzen, obwohl du ganz genau weißt, dass sie ihn ablehnen werden?«
»Weil diese Männer mir nicht ebenbürtig sind«, sagte sie leise.
Sie ließ die Hand sinken; ihre Berührung brannte auch im Nachhinein noch wie Feuer. »Jahrhunderte der Abgeschiedenheit im Norden haben ihnen viel von ihrem Menschsein genommen. Für sie heißt leben, mit Zähnen und Klauen so lange zu kämpfen, bis irgendjemand als Sieger feststeht; nichts anderes zählt in ihrer Welt. Gewiss, sie sprechen unsere Sprache, sie tragen unsere Kleider – einige baden sogar hin und wieder –, aber im Herzen sind sie einfältige Barbaren, so berauscht von den tierischen Trieben ihrer Konjunkten, dass sie kaum noch klar denken können. Soll ich so jemanden zum Mann nehmen und ihm die Hälfte meines neuen Reiches anvertrauen? Wohl kaum.«
Weißt du, dass du von Zauberern gejagt wirst? , dachte er. Weißt du, dass sie dich inzwischen ebenso sehr fürchten, wie sie dich früher liebten? Dass die Magister lieber alle an einem Strang ziehen – wider alle Tradition und alle Instinkte –, als zuzulassen, dass du den Lebensraum der Ungeheuer auch nur um einen einzigen Zoll ausweitest?
Natürlich wusste sie das. Deshalb hatte sie ja diese Traumlandschaft geschaffen.
»Du bietest mir also die Herrschaft über Tiere an«, fasste er zusammen, »und der Preis ist die Zerstörung einer Welt.«
»Ach! Seit wann willst du denn die Welt retten? Ist dies neuerdings das Ziel der Magister?« Wieder lachte sie in sich hinein. »Nun denn, wie rettet man denn am besten eine Welt? Nicht durch einen Krieg – der von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre – gegen einen Feind, der sogar dir, einem Zauberer, das Leben aus der Seele saugen kann. Nein, es müssen dezentere Mittel sein. Genauer gesagt: Politik.
Du kannst die Seelenfresser nicht ausrotten, Sula. Auch nicht, wenn alle Magister der Welt sich gegen sie verbünden würden … was
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