Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
nicht der Fall ist. Aber du kannst sie vielleicht kontrollieren. Dafür habe ich die Weichen bereits gestellt. Ich brauche einen Mann an meiner Seite, auf den ich mich verlassen kann. Dieser Mann könnte in einem Ausmaß über Macht verfügen, wie es noch kein Magister erlebt hat.« Sie hielt inne, um ihre Worte wirken zu lassen. »Eine Macht, von der jeder Magister träumt.«
Ob sie wohl wusste, wie verlockend dieses Angebot war? Als einer der jüngsten Magister lebte er seit der Nacht seiner Ersten Translatio im Schatten von Uralten wie Colivar und Ramirus. Wie mochte man sich fühlen, wenn man den Spieß umdrehte und zur Abwechslung einmal von den Alten beneidet wurde? Womöglich sogar gefürchtet?
Ihr Götter, diese Frau war gefährlich! Er hatte recht gehabt, ihr zu misstrauen. Aber musste man nicht gefährlich sein, wenn man vorhatte, diese Ungeheuer unter Kontrolle zu bringen? War ihr Plan nicht von einer schrecklichen Logik, und bot er nicht bessere Aussichten auf Erfolg als die labile Allianz, der er derzeit angehörte und die bei der leisesten Erschütterung auseinanderbrechen konnte?
Es ist richtig, dass einer von uns über die Seelenfresser herrschen sollte. Die Worte quollen aus der Tiefe seiner Seele, als hätte ein anderer sie gesprochen. Verführerisch und grauenvoll zugleich. Wie weit konnte er seinen eigenen Gedanken trauen?
Die Hexenkönigin schwieg. Beobachtete ihn. Wartete.
»Ich brauche etwas Bedenkzeit«, sagte er endlich.
»Viel Zeit hast du nicht mehr, Sula. Die Ereignisse überschlagen sich. Je länger die Seelenfresser ohne starke Führung sind, desto schwieriger wird es, sie in den Griff zu bekommen.«
»Das leuchtet mir ein.«
Sie überlegte, dann nickte sie. »Ich gebe dir ein paar Tage. Danach spreche ich andere Kandidaten an. Das musst du verstehen.«
»Ja, das verstehe ich.« Dann wird ein anderer über die Seelenfresser herrschen. Ein anderer wird von den Magistern beneidet werden. Er schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. »Wie kann ich dich erreichen?«
»Ich komme zu dir. So wie jetzt. Falls wir handelseinig werden … treffen wir uns auf festerem Boden wieder. Einverstanden?«
Er nickte.
Sie stellte ihren Pokal ab, nahm sein Gesicht in ihre beiden Hände und zog es zu sich herab. Er wehrte sich nicht. Ihr Kuss war warm und feucht und schmeckte nach Wein. Der Duft ihrer Haut stieg ihm in die Nase und schien auch die dunkle Präsenz in seinem Inneren zu wecken. Die Hitze schoss ihm in die Lenden, doch er spürte sie nur wie von ferne, sie bedrängte ihn nicht. Und in Gedanken war er bei anderen Dingen.
»Überlege es dir gut, mein Magister«, murmelte sie.
Damit erlosch ein Element des Traumes nach dem anderen, bis nur noch Sand und Sonne übrig waren … und schließlich verschwanden auch sie im Dunkeln.
Kapitel 18
Es war ungewohnt, Farahs Palast als Gast zu betreten. Noch ungewohnter war es für Farahs Diener, die nicht so recht wussten, was sie von Colivars unerwarteter Ankunft zu halten hatten. Wie tief verneigte man sich, wenn ein Magister zu Besuch kam? Lagen nicht alle Zauberer im Streit miteinander? War das ein Grund, sich Sorgen zu machen? Als Colivar noch im Palast gelebt hatte, war er nie von anderen Magistern besucht worden, deshalb hatten Farahs Diener keine Erfahrung mit dem entsprechenden Protokoll.
Er hätte sie vorwarnen sollen. Oder Sula hätte sie vorwarnen sollen.
Na schön.
Endlich erbot sich ein verwirrter Gardist, den Magister zum König zu bringen. Seine Verwirrung stieg noch, als Colivar erklärte, er sei nicht hier, um mit dem König zu sprechen. Endlich wurde doch Klarheit geschaffen, und zwei Gardisten – vermutlich ein Ehrengeleit, denn es hätte einer ganzen Armee bedurft, um wirklich etwas gegen ihn auszurichten – führten ihn zu Sulas Gemächern.
Farah hatte einen Flügel seines Palastes für den Königlichen Magister bestimmt. Da Colivar von den Räumen selten Gebrauch gemacht und folglich auch niemals Zeit oder Energie auf die Einrichtung verwendet hatte, war er nun neugierig, was Sula daraus gemacht hatte. Es war jedenfalls nicht das, was er erwartet hätte. Die Grenze zwischen Farahs Reich und dem Reich seines Zauberers war kaum zu erkennen; sogar die dünnen Vorhänge waren in beiden Gebäudeteilen in Schnitt und Farbe gleich. Sulas Wohnraum war mit klassischen anchasanischen Möbeln und Kunstwerken ausgestattet, und Sula selbst trug die langen, fließenden Gewänder eines Wüstenhäuptlings. Zusammen mit
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