Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)
dass es sich seiner Gegenwart bewusst war.
Mit einer Handbewegung schickte Salvator seine Leute zu den wartenden Pferden, während er sich bemühte, seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Ein besonders schönes Tier, eine Schimmelstute mit leuchtend weißem Fell, löste sich aus der Herde und galoppierte über das Plateau auf Ramirus zu. Beim Aufsitzen teilte sich das Gewand des Magisters genau in der Mitte, und die beiden Hälften schmiegten sich glatt an die Flanken des Tieres. Ganz anders Colivar. Er ging selbst zu den Pferden, führte von Hand einen grauen Schecken beiseite und schwang sich in den Sattel. Diese Zurückhaltung war vermutlich als Geste des Respekts vor Salvator gedacht, und der Großkönig nahm sie zur Kenntnis. Wobei ihm bewusst war, dass es dem Magister in erster Linie wohl darum ging, Ramirus bloßzustellen.
Ich danke dem Schöpfer, dass ich mit diesen schändlichen Kreaturen nicht tagtäglich zu tun habe.
Zwei Diener standen bereit, um Gwynofar in den Sattel zu helfen, doch sie winkte ab und bestieg das große Pferd ohne fremde Hilfe. Den schweren Stahlpanzer trug sie so mühelos, als wäre er aus hauchdünner Seide. Die Heiligen Hüter waren keineswegs überrascht angesichts ihrer Körperkräfte, aber Salvators Gardisten hatten den Klatsch offenbar nicht mitbekommen, und einige staunten mit offenem Mund. In solchen Momenten werden Legenden geboren , dachte der Großkönig spöttisch und winkte ab, als ein Gardist die Hände zusammenlegte, um sie unter seinen königlichen Fuß zu setzen. Selbst wenn er nicht ohne Hilfe in den Sattel gekommen wäre – ein Salvator hätte niemals einen Mitmenschen als Fußschemel missbraucht.
Doch er brauchte keine Hilfe. Er war groß und gelenkig, und vier Jahre harter Arbeit auf den Feldern des Klosters hatten seine Muskeln gestählt; die Soldaten mochten die besseren Schwertkämpfer sein, aber er glaubte nicht, dass ihn einer von ihnen bei einem offenen Kräftemessen besiegen könnte.
Bei einem Seelenfresser läge die Sache jedoch anders.
Bevor Favias sein Pferd bestieg, ging er von einem Mann zum anderen und verteilte die besonderen Waffen, die die Heiligen Hüter mitgebracht hatten. Pfeile mit glasigen kobaltblauen Spitzen, Lanzen mit langen, gekrümmten kobaltblauen Köpfen und Schwerter, bei denen Streifen des gleichen blauen Materials in die Schneide eingesetzt worden waren. Den meisten Waffen war anzusehen, dass sie uralt waren, gefertigt aus den Stacheln von Seelenfressern, die vor Jahrhunderten im Großen Krieg erlegt worden waren, aber vier Langspeere waren neu. Einen davon reichte er Salvator.
»Der wurde aus der Schwanzschuppe von Kostas’ Seelenfresser gemacht«, erklärte er. »Angeblich durchschneidet eine solche Waffe die Haut eines Ikata wie Butter und hinterlässt ein Gift, das die Kreatur von innen heraus zerfrisst.« Ein leichtes Schmunzeln huschte über sein Gesicht. »Schneidet Euch nicht in den Finger damit.«
Salvator nahm die Waffe mit ernster Miene entgegen. Das ist der Seelenfresser, der für den Tod meines Vaters verantwortlich ist , dachte er. Und für den Tod meiner Brüder. Er spürte eine kalte Genugtuung darüber, dass die Kreatur in Stücke geschnitten worden war und nun seiner Familie in einem Krieg gegen die eigenen Artgenossen dienen musste.
Favias reichte Gwynofar einen der anderen Speere. Er ragte weit über ihren Kopf hinaus und stand in einem krassen Missverhältnis zu ihrem zarten Körper, aber niemand erhob Einwände. Alle wussten, dass ihr alle Kraft und Entschlossenheit nicht viel nützen würden, wenn sie sich den Feind nicht weit genug vom Leibe halten konnte. Sollten sie von einem Seelenfresser überrascht werden, während sie noch zu Pferde saßen, wäre jeder Zoll mehr ein Gewinn.
Favias behielt einen Speer und reichte den letzten seinem Stellvertreter. Salvator wandte sich an Caderns Leute. »Richtet Eurem Gnädigen Herrn aus, dass wir ihm für seine Unterstützung danken. Wir werden zurückkehren, sobald wir unsere Aufgabe erfüllt haben, und ihn wissen lassen, wie der Kampf ausgegangen ist.«
Der Mann neigte respektvoll den Kopf. »Mögen die Götter …« begann er. Dann hielt er inne.
Schweigen trat ein. Salvators Lippen wurden schmal.
»Ich wünsche Euch eine sichere Reise«, verbesserte sich der Mann. Er war vor Verlegenheit knallrot geworden. Nun verneigte er sich tief, um sein Gesicht zu verbergen.
Salvator nickte steif. »Der Wille des Schöpfers geschehe.«
Dann wendete der
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