Die Seelenquelle
betrachtete Douglas eindringlich und mit großem Ernst. »Wie Ihr sehen könnt« – er wies auf seine eigene missliche Lage mit einer ausholenden Geste seiner Hand –, »geht die Obrigkeit nicht freundlich mit Wahrheiten um, die ihre eigenen, begrenzteren Auffassungen durcheinanderbringen. Der Scheiterhaufen erwartet jeden, der sich zu weit in Bereiche wagt, von denen man glaubt, sie seien für Untersuchungen nicht akzeptierbar.« Er hielt inne und nickte, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Vollkommen«, versicherte ihm Douglas. »Ich verspreche Ihnen, dass niemand etwas über unsere Untersuchung von mir hören wird. Ich habe die Absicht, das Geheimnis auf das Sorgfältigste zu hüten. Tatsächlich habe ich bereits all meine Notizen zerstört, die das Phänomen und seine Beschreibung in der Theorie betreffen.«
Roger Bacon zeigte ein trauriges Lächeln. »Das ist zum Besten – obwohl man sich gut wünschen könnte, es wäre anders. Eines Tages wird die Welt vielleicht ein Ort sein, an dem ein Wissen wie dieses gepriesen werden kann – und nicht versteckt werden muss.«
Unten im Treppenhaus war ein Geräusch, und einen Moment später tauchte Snipes bleiches Mondgesicht aus der Dunkelheit auf. Er stellte den Nachttopf auf den Treppenabsatz und machte eine »Beeilung!«-Geste, bevor er wieder verschwand.
»Jemand kommt«, sagte Douglas, hob den Topf auf und gab ihn dem Magister. »Ich werde Euch nun verlassen.«
»Ja, Ihr solltet gehen«, drängte Bacon ihn. »Meine Aufseher bringen mir Brot und Wasser. Es ist für uns beide am besten, wenn sie Euch hier nicht finden.«
»Unglücklicherweise muss ich noch heute Abend aufbrechen und zum Kloster zurückkehren. Doch gibt es irgendetwas, das ich vor meiner Abreise für Euch tun kann?«
Der Magister schüttelte den Kopf. »Meine Bedürfnisse sind einfacher Natur, und ich werde mit den Dingen versorgt, um sie zu befriedigen.« Plötzlich kam ihm ein Gedanke in den Sinn, und er fügte hinzu: »Dennoch … man könnte sich ein wenig mehr Pergament wünschen.«
»Sagt nichts weiter«, erwiderte Douglas, der sich von der versperrten Tür entfernte. »Ich werde zusehen, dass es in Euren Händen ist, bevor ich weggehe.«
»Und ein Tintenhorn?«
»Ihr sollt es haben – und auch Kerzen.«
»Danke schön, teurer Freund. Ihr seid ein wahrer Heiliger.«
»Keineswegs«, antwortete Douglas von der Treppe aus. »Ich bin es, der Euch danken sollte. Lebt wohl, Doctor Bacon – bis wir uns wiedersehen.«
»Geht mit Gott, mein Freund!«, rief Bacon und schloss wieder seine Tür.
Auf dem Treppenabsatz unten traf Douglas einen Kirchenoffiziellen in einem edlen Gewand, der die Stufen hochstieg. Hinter ihm kam ein untersetzter Bursche, der in der einen Hand einen Eimer und in der anderen einen Spieß trug. Douglas konnte nicht vermeiden, von ihnen gesehen zu werden; und so lächelte er, verbeugte sich und wünschte den beiden einen guten Tag, während er sich auf die Tür zubewegte. Er packte Snipe, der sich am Eingang herumtrieb wie eine düstere Wolke, und eilte mit ihm über den Marktplatz fort. Lange genug schlenderte er durch die Stadt, um die Wachszieher aufzusuchen und ein Dutzend große Kerzen zu erwerben; anschließend beschaffte er etwas Pergament, ein Fläschchen Tinte, ein paar ungeschnittene Schreibfedern und ein neues Federmesser. Er veranlasste, dass all diese Dinge zu Magister Bacons Herberge gebracht werden sollten, als die Kirchenglocken zur Vesper läuteten.
»Komm, Snipe«, befahl er. »Am besten machen wir uns jetzt für eine Weile rar.« Er begann, die Straße entlangzumarschieren und suchte währenddessen nach einem Gasthaus, wo sie warten konnten, bis der Oxford-Ley aktiv wurde. Und dann konnte der Angriff auf die Meisterkarte ernsthaft beginnen.
DREISSIGSTES KAPITEL
S o unglaublich Kits beispielloses Aussehen für alle, die es betraf, zu sein schien – noch unglaublicher war die Geschichte, die er ihnen offenbarte. Seine Zuhörer, mit denen er in der winzigen Küche des Observatoriums oben auf der Bergspitze saß, lauschten hingerissen. Während sie aus großen Schüsseln die Spaghetti alla puttanesca von Bruder Lazarus und Wilhelminas mehliges Brot aßen sowie zahlreiche Gläser vom starken Rotwein des Klosters tranken, beschrieb Kit das Leben in der Steinzeit, wie er es kennengelernt hatte: den Fluss-Stadt-Clan und seine Organisation, die Ordnung und den Rhythmus des täglichen Lebens, die Flora und
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