Die Seelenquelle
dieselbe Person sich nicht in derselben Wirklichkeit in zwei verschiedenen Körpern aufhalten kann … irgendwas in dieser Art.«
»Ich bin nach London zurückgekehrt und habe dort die Bäckerei und meine Wohnung aufgesucht. Damals bin ich sogar zu deinem Zuhause gegangen, aber du bist nicht da gewesen. Es war seltsam, doch es ist mir nicht in den Sinn gekommen, mich zu fragen, ob ich mich selbst dort antreffen würde.« Sie dachte einen Moment nach. »Wenn ich also zu einem Ort ginge, wo es eine andere Wilhelmina gibt, dann würde … was geschehen?« Sie schaute Kit an.
»Ich weiß es nicht. Doch diese Idee, dass unser Leben nicht mehr länger eine lineare Chronologie beibehält, sobald wir damit anfangen, in Raum und Zeit herumzuspringen, muss irgendwie damit verbunden sein.«
»Bruder Lazarus ist überzeugt, dies alles hängt mit dem Bewusstsein zusammen«, merkte Mina an. »Wenn das der Wahrheit entspricht, könnte es sein, dass man nur ein einziges Bewusstsein hat, und das kann nicht zur selben Zeit an zwei verschiedenen Orten sein.«
»Dann bist du also hergekommen und hast dich oft mit Lazarus beraten?«
»Er ist der Beste«, erwiderte Mina. »Ein ausgebildeter Astronom mit einem fundierten Wissen über Kosmologie und Physik – ein gewaltiges Gut. All das – und er versteht außerdem das Ley-Reisen.«
»Ich wünschte, ich würde das wirklich«, seufzte Kit. Einen Moment lang betrachtete er Mina gedankenverloren. »Ich frage mich, wann wir uns gegenseitig zeitlich einholen werden. Wir sollten doch zu irgendeinem Zeitpunkt wieder miteinander synchron sein, oder etwa nicht?«
»Ich nehme an, wir werden einfach warten müssen und schauen, was passiert.« Ihr Blick war zugleich ernst und mitfühlend. »Du hast solche Entbehrungen durchgestanden. Ich hatte ja keine Ahnung; ansonsten hätte ich dich nicht dorthin geschickt.«
»Wirklich, das ist schon in Ordnung.«
»Ich habe jeden Tag nach dir Ausschau gehalten, und das wochenlang. Warum bist du nicht einfach an Ort und Stelle geblieben, so wie ich es dir gesagt hatte?«
»Aber das bin ich doch«, beharrte Kit. »Wenn ich noch länger gewartet hätte, wären mir Wurzeln an den Füßen gewachsen. Ich bin, solange wie ich es konnte, jeden Tag zu der Stelle zurückgegangen, doch der Ley ist niemals wieder aktiv geworden. Ich habe mit deiner kleinen Ley-Lampe herumgefuchtelt, bis ich ganz blau im Gesicht war, aber ich habe niemals ein Signal erhalten.«
»Und hier war ich und habe geglaubt, dir wäre einfach langweilig geworden, und du wärest dann wegspaziert.« Mina sah ihn mit einem mitfühlenden Blick an. »Es tut mir wirklich leid.«
»Das brauchst du nicht.«
»Ich fühle mich verantwortlich.«
»Du hörst mir nicht zu, Mina«, entgegnete er. Seine heisere Stimme klang allmählich wieder energisch. »Ich sehe es als ein Privileg an, die Chance besessen zu haben, Zeit mit dem Clan zu verbringen und das zu lernen, was ich gelernt habe. Ich würde jederzeit dorthin zurückkehren.« Er lächelte wissend. »Außerdem … Wenn nichts davon passiert wäre, hätte ich niemals die Seelenquelle entdeckt.«
»Wenn es denn tatsächlich die Seelenquelle gewesen ist.«
»Was könnte es sonst gewesen sein? So etwas wie Zufall gibt es nicht, erinnerst du dich?« Er wandte seine Augen dem vom blauen Nebel eingehüllten Tal zu, das sich, weit unterhalb ihres »Hochsitzes« im Gebirge, in die Ferne erstreckte. »Ich dachte immer, dies wäre bloß etwas, das Sir Henry und Cosimo zu sagen pflegten – eines ihrer kleinen Leitsprüche.«
»Und jetzt?«
»Jetzt weiß ich es besser.« Seine Augen verloren ihre Ausrichtung – als ob er durch ein Fenster auf eine breitere, verworrenere Landschaft blicken würde. »Alles geschieht aus irgendeinem bestimmten Grund. Man braucht mich nicht davon zu überzeugen. Ich glaube fest daran.« Einen Augenblick lang verfiel Kit in Schweigen; er war ganz in seinen Gedanken versunken.
»Erzähl mir noch einmal, wie du die Seelenquelle gefunden hast«, forderte Mina ihn schließlich auf.
Kit nickte und überlegte, wie er es am besten darstellen sollte. »Ich habe doch das Knochenhaus erwähnt, erinnerst du dich?«, begann er.
»Ja, ich erinnere mich«, antwortete sie. »Aber ich kann mir nicht so ganz vorstellen, wie es aussieht und wofür es genau ist.«
»Denk an einen Iglu, der aus den Skeletten prähistorischer Tiere errichtet wurde – ein riesiger Hügel aus ineinandergesteckten Knochen: Das wird dir eine grobe Vorstellung
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