Die Seelenquelle
Benedicts Hilfe hoben sie den bewusstlosen Arthur hoch und schleppten ihn zur Barke, wo sie ihn vorsichtig auf dem Deck niederlegten.
Die nächsten Geschehnisse würden für Benedict auf immer ein Durcheinander sein, das er wie aus der Ferne erlebt hatte. Er erinnerte sich, dass andere Priester zu ihnen auf das Deck kamen und Anen höchstpersönlich das Kommando übernahm – der dann anordnete, den Verwundeten zum überdachten Pavillon in der Mitte der Barke zu tragen und ihn dort auf die gepolsterte Plattform zu legen. Als sich Benedict dann wieder umschaute, stand die Barke bereits unter Segel, und die königliche Stadt verschwand in der Ferne.
NEUNTES KAPITEL
N ach Lady Fayths rechtzeitiger Warnung an Wilhelmina, über ihre weiteren Handlungen genau nachzudenken, entschied sie darüber, was ihre beste Vorgehensweise sein würde. Es hatte sie in den Fingern gejuckt, das neue Modell der Ley-Lampe auf Herz und Nieren zu prüfen und die ganze Bandbreite seiner Möglichkeiten zu entdecken. Prag für ein paar Tage zu verlassen, war die perfekte Entschuldigung, die sie für dieses Vorhaben brauchte. Und nachdem sie mit Etzel offen geredet hatte, war sie nunmehr frei zu reisen, wann immer es ihr gefiel. Natürlich reiste sie so viel wie vorher, aber jetzt ohne das nagende Schuldgefühl, ihren Partner – ihren Helden – in die Irre zu führen.
Denn der gute Etzel hätte wahrhaftig kein edlerer Beschützer sein können, wenn er in einer glänzenden Rüstung gewesen wäre und ihre Farben bei einem Ritterturnier auf dem Rücken eines galoppierenden Rosses getragen hätte. Niemals hatte sie irgendeinen anderen kennengelernt, der so selbstlos und beständig für sie Partei ergriff und ihr Wohl und ihre Interessen an die erste Stelle setzte.
Etzel tat all dies und noch viel mehr; und Mina hatte keinerlei Zweifel, dass sie sich mit ihm im Großen Kaiserlichen Kaffeehaus häuslich niederlassen und ein glückliches Leben führen würde, wenn die Suche nach der Meisterkarte erst einmal beendet war. Je mehr sie darüber nachdachte, desto sicherer war sie, dass sie sich tatsächlich nichts anderes wünschte.
Doch gerade jetzt hatte sie andere Pflichten und Verwicklungen, die sie nicht mit ihm teilen konnte. Ganz oben auf ihrer Liste stand, dass sie sich Burleigh entziehen musste. Dann konnte sie sich ganz dem Unterfangen widmen, herauszufinden, was Kit passiert war. Die erste Aufgabe war dank Havens rechtzeitiger Warnung einfach und mühelos durchzuführen. Für die zweite Arbeit würde sie Hilfe brauchen. Da sie ans Ende ihrer eigenen Weisheit gelangt war, beschloss sie, dass es an der Zeit war, zu demjenigen zurückzukehren, der ihr geholfen hatte, Kit das erste Mal zu finden: Bruder Lazarus.
Mit großem Glück könnte sie immer noch imstande sein, Burleigh und seinem brutalen Trupp ein oder zwei Schritte voraus zu bleiben. Das Hauptproblem unter vielen anderen war jedoch das Risiko, entdeckt zu werden. Da sie wusste, wie Burleighs neue Vorrichtung funktionierte, war ihr nunmehr bewusst, wie gefährdet sie beim Ley-Reisen sein würde. Wenn der heimtückische Earl ein besonderes Interesse an ihr entwickelte, könnte dies zu einem katastrophalen Ergebnis führen.
Sobald sie ihre Entscheidung getroffen hatte, verschwendete Wilhelmina keine Zeit, um ihren Plan in die Tat umzusetzen. Sie sagte Etzel Lebewohl und versprach, alles Menschenmögliche zu tun, um ganz schnell zurückzukehren, und brach dann auf. Der Ley, den sie benötigte, war eine halbe Tagesreise von Prag entfernt; und aus früherer Erfahrung wusste Mina, dass er ganz besonders »zeitempfindlich« war: Das heißt, er bot nur ein sehr schmales Aktionsfenster, das sich zweimal am Tag öffnete – wenige Minuten bei Sonnenaufgang und -untergang. Wenn ein Ley-Reisender eine dieser Gelegenheiten verpasste, musste er bis zur nächsten warten. Das war freilich nicht ungewöhnlich; viele Ley-Linien und -Portale funktionierten in einer ähnlichen Weise, wie sie herausgefunden hatte. Einige waren jedoch irgendwie langmütiger und nachsichtiger, andere weniger. Warum das so war? Wilhelmina hatte keine Ahnung.
Bei dem Stallknecht in der Nähe der Stadttore besorgte sie sich eine Kutsche samt Fahrer, um sie zu ihrem Ziel zu bringen: einem leeren Landstrich, der etwa einen Kilometer nördlich des winzigen Bauerndorfes Podbrdy lag. Ihr Plan war, außerhalb der Siedlung aus der Kutsche zu steigen und, wenn möglich, unbeobachtet zum Ley zu gehen. Zwei weitere Sprünge würde
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