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Die Seelenquelle

Die Seelenquelle

Titel: Die Seelenquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Vater diskret mit dem Ellbogen an. »Das Gesicht des Pharao sieht aus wie das eines Kamels. Machen sie das mit Absicht?«
    »Offensichtlich«, flüsterte Arthur. »Ich habe noch nie etwas Derartiges zuvor gesehen.«
    »Ist er krank?«
    »Vielleicht; aber ich glaube, das werden wir bald herausfinden.« Mit einem Kopfnicken wies er an den Priestern vorbei, die den Prozessionszug anführten: Auf der Straße vor ihnen bog ein Streitwagen ein, dem eine Phalanx aus speertragenden Soldaten mühelos hinterhertrabte. Der Wagen, der von zwei weißen Pferden mit einem Kopfschmuck aus Straußenfedern gezogen wurde, glänzte golden im hellen Sonnenlicht.
    Die Prozession blieb stehen, als das sich beschleunigende Gefährt auf sie zuhielt, sodass es zu einem direkten Zusammenprall kommen würde; die mit Eisen umrandeten Räder klapperten auf dem Straßenpflaster. Der Fahrer trieb die Pferde mit der Peitsche zu noch größerer Geschwindigkeit an und fuhr weiter geradeaus; sein langes schwarzes Haar flatterte im Wind.
    Als das Gefährt sich ihnen näherte, traten die vorderen Priester aus der Reihe und eilten zu Seite. An der Stelle, wo die Kollision drohte, warfen die Diener ihre Fahnen zu Boden und rannten weg. Plötzlich hatte sich die würdevolle Prozession in ein wildes Gedrängel aus Priestern verwandelt, die darum kämpften, dem Wagen aus dem Weg zu gehen. Arthur und Benedict, die ein kleines Stück weit entfernt waren, traten schnell den Rückzug an und blieben an einer Seite der Straße stehen, um das Durcheinander zu betrachten. Mit Hufgeklapper und Staubwirbeln kam der Kampfwagen schlitternd zum Stehen. Die Priester, die wegen ihrer Behandlung empört waren, begannen zu schreien und riefen Flüche auf den angriffslustigen Fahrer herab – der bloß seinen Kopf nach hinten warf und auflachte; hinter seinem tiefschwarzen, geflochtenen Bart blitzten seine weißen Zähne auf.
    Die Soldaten kamen herbeigestampft, ihre schweren Sandalen klatschten auf den Steinen. Der Anführer – ein imposanter Bursche, der einen federgeschmückten Helm aus glänzender Bronze und eine Brustplatte aus schuppenförmigen, einander überlappenden Bronzeplättchen trug – rief einen Befehl. Daraufhin formierten sich die Soldaten, stießen mit einem geschickten Knallgeräusch ihre Speere auf das Straßenpflaster und standen still.
    »Das ist ein Frevel!«, schrie einer der älteren Priester und drängte sich nach vorne; sein Gewand war nun staubbedeckt und in Unordnung geraten. »Euer Haus sei verflucht!«
    Der Wagenfahrer starrte bloß nach unten; zwischen seinem Bart war ein Grinsen zu erkennen. Benedict schob sich näher heran, um besser schauen zu können. Er sah einen gedrungenen, stark gebauten Mann in der Blüte seines Lebens; seine Figur war wohlproportioniert, seine Augen blickten scharfsichtig, und seine Haut war recht kräftig von der Sonne gebräunt – dem Symbol des Gottes, dem er diente. Der Mann besaß eine hohe Stirn, einen starken Unterkiefer und schöne weiße Zähne, die ordentlich glänzten durch den dunklen Wald seiner Barthaare.
    Dies versetzte den Priester nur noch mehr in Wut. Er schüttelte die Fäuste durch die Luft und spuckte vor Zorn, als er drohte: »Deine rücksichtslose Handlung und dein gedankenloses Benehmen wird nicht unbestraft bleiben! Der Pharao wird davon hören.«
    Der Streitwagenfahrer lachte erneut; dann reichte er dem Anführer der Soldaten die Zügel und kletterte vom Gefährt herab. Als er herbeikam, um den zornigen Priestern entgegenzutreten, erhob er seine Hand, um zu enthüllen, dass er einen Stab aus Gold und Lapislazuli trug. Der bloße Anblick dieses Gegenstands ließ die versammelten Priester aufkeuchen, die sich augenblicklich tief verbeugten; ihre Handflächen reichten dabei bis zu den Knien.
    »Ich glaube, der Pharao hat bereits eure Klage gehört«, sagte der Streitwagenlenker fröhlich.
    »O mächtiger Pharao, vergebt die Unmäßigkeit eures Dieners.« Der Priester beugte sich noch tiefer und verharrte in einer Haltung extremen Flehens. »Vergib mir, mein König, ich habe dich nicht erkannt.«
    »Du hast deinen König nicht erkannt?«, fragte der Pharao in einem sanften Tonfall. »Wie konnte das geschehen? Ist mein Abbild denn nicht in deinem Herzen eingraviert?«
    »Du Großer an Ansehen, es ist so lange her …« Der Priester, der ganz aus der Fassung war, fing an, zurückzuweichen. Während er rückwärtsging, murmelte er: »Du hast dich verändert, mein König. Ich habe nicht

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