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Die Seelenquelle

Die Seelenquelle

Titel: Die Seelenquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
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Wand neben ihm schob sich Kit den Gang entlang und taumelte auf das entfernte Glitzern des Lichts zu. Nach ein paar Dutzend Schritten hatte er den Eindruck, dass das Licht heller wurde und in der unbekannten Entfernung vor ihm etwas Grauweißes zeigte. Das Geräusch schien sich auch in diese Richtung zu bewegen. Andererseits, vielleicht befand sich dort die Quelle des Plink-Klink . Aufgrund des Echoeffekts in der Höhle war es unmöglich, dies zu erkennen. Kit schob sich weiter vorwärts und achtete darauf, dass das Leuchten im Zentrum seiner Sicht blieb. Dementsprechend wurde der schimmernde Glanz größer und heller. Kit begriff schließlich, dass er auf Sonnenlicht blickte, das im Gang vor ihm von der steinernen Seitenwand reflektiert wurde.
    Nach ein paar weiteren Schritten war er an der Stelle, wo der Tunnel scharf nach rechts abbog. Kit ging um die Ecke, und das Licht wurde noch heller. Er mühte sich über den unebenen Boden hinweg und kletterte über Felsen und loses Geröll. Vor ihm bog der Gang ein weiteres Mal ab. Das Plink-Klink hörte plötzlich auf.
    Als er um die nächste Ecke ging, erblickte er die Höhlenöffnung. Strahlendes Weiß strömte durch die unregelmäßige Öffnung hinein. Kits Augen waren schon nicht mehr an Licht gewöhnt, und so war es für ihn, als ob er in einen brennenden Schmelzofen oder eine Miniatursonne blicken würde. Er schloss rasch seine Augen. Dann legte er seine Hände über das Gesicht und ließ eine Zeit lang nur wenig Licht in seine Augen eindringen, bis sich seine Pupillen auf die Helligkeit eingestellt hatten. Dann blickte er erneut. Das helle Licht war noch immer da, und immer noch loderten die Strahlen. Und in dem warmen Sonnenlicht saß die unverkennbare, überlebensgroße Gestalt eines weiteren Höhlenlöwen. Mehr als alles andere sah er wie eine extrem überdimensionierte Hauskatze aus, die auf ihrem Hinterteil saß und sich eine Vorderpfote von der Größe eines Suppentellers leckte.
    Kit war mitten in der Bewegung und konnte nicht rechtzeitig innehalten. Sein Fuß senkte sich auf ein loses Felsstück, das kippte und unter seinem Gewicht wegrutschte. Das anschließende leichte Poltern ließ die Bestie zusammenfahren, und sie drehte ihren Kopf ihm zu. Das Tier, das Kit lediglich als Silhouette wahrnehmen konnte, schien kleiner zu sein als der Höhlenlöwe, den früher am Tage die Jäger getötet hatten; vielleicht handelte es sich ja um ein Jungtier. Doch es war immer noch groß genug, um Kit mit einem einzigen Hieb seiner Säbelkrallen tödliche Schlitzwunden zuzufügen. Kit konnte die Augen der Kreatur nicht erkennen, doch sie blickte ihn direkt an. Er blieb völlig regungslos stehen in der Hoffnung, dass er windabwärts und in der Düsternis unsichtbar war. Der Höhlenlöwe beobachtete ihn bloß einen Moment lang, dann erhob er sich.
    Langsam, ganz langsam bückte sich Kit herab und tastete auf dem Boden nach einem Felsbrocken. Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen, die sein Gesicht hinabliefen. Seine verschwitzte Hand glitt über einen Stein mit vielen scharfen Kanten, und seine Finger schlossen sich fest um ihn. Zumindest werde ich nicht kampflos untergehen , dachte Kit.
    Er richtete sich wieder auf.
    Der Höhlenlöwe ging einen Schritt auf ihn zu. Kit holte tief Luft und schrie. Dann rannte er vorwärts und kreischte dabei wie ein Verrückter. Die Großkatze hielt an, drehte sich um und gab Fersengeld. Als sie von der Höhlenöffnung sprang, erblickte Kit bei dieser blitzartigen Bewegung etwas, bei dem ihm fast das Herz stehen blieb: Der Höhlenlöwe trug eine Eisenkette. Als die Bestie fortsprang, flog sein »Anhängsel« umher. Kit, der in der Mündung der Höhle stand, konnte nun deutlich die Kettenglieder, die der Höhlenlöwe hinter sich herzog, im Licht aufblitzen sehen. Das Ende der Kette schlug immer wieder gegen Steine: Klink-Plink, Klink-Plink.
    Die Zeit schob sich ineinander. Wie lange lebte er schon beim Fluss-Stadt-Clan? Wie viel Zeit war vergangen, seitdem er das letzte Mal ein vollständig entwickeltes menschliches Wesen gesehen, in einer modernen Sprache geredet und richtige Kleidung getragen hatte? In seinem Kopf drehte sich alles, als er versuchte, sich selbst in eine andere Perspektive zu stellen; denn Kit kannte diese Katze. Er kannte sie aus einer anderen Zeit und einem anderen Ort – einer anderen Wirklichkeit. Dieser Höhlenlöwe war das Eigentum der Schlägertypen, die als die Burley-Männer bekannt waren. Diese Katze hatte

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