Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seelenquelle

Die Seelenquelle

Titel: Die Seelenquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Lawhead
Vom Netzwerk:
hinein, bis sie schließlich zu einer ausgedehnten Felswand gelangten, wo es nur ein paar Bilder gab. Großer Jäger stellte seine Schädellampe auf einen flachen Felsen und beschäftigte sich mit irgendetwas in der Dunkelheit. Kit trat näher an ihn heran und sah, dass Dardok mehrere weitere Lampen an seiner eigenen anzündete. Sobald sie alle leuchteten, verteilte er sie; auch Kit erhielt nun eine.
    Neben den Lampen gab es einen Vorrat an Schalen von Flussmuscheln, Zweige und Erdklumpen. Die Clanmänner hoben glatte Flusssteine von einem kleinen Haufen neben dem Platz auf, wo Dardok die Lampen entzündet hatte, und begannen, die Dreckklumpen zu zerstoßen. Diese Tätigkeit erschien Kit zunächst sinnlos, doch während er zuschaute, veränderte sich diese Einschätzung. Die Männer ergriffen einige der Muschelschalen und häuften ein wenig von der zerstoßenen Erde auf sie. Dann fügten sie Wasser hinzu, das sie von einem tropfenden Stalaktiten erhielten, und bereiteten einen dünnflüssigen Schlamm zu.
    Das ist ein Workshop , erkannte Kit. Sie machen Farbe.
    Jeder Künstler machte seine eigene, indem er mit einem schmutzigen Zeigefinger den Schlamm in einer halben Schale verrührte. Als die Farbe fertig war, holte Dardok Haselnusszweige hervor. Sie wurden herumgereicht und umgehend in die Münder gesteckt. Die Clanmänner kauten eine Weile und nagten an den Stöcken; sie fransten die Enden aus, bis die Zweige rudimentäre Pinsel darstellten. Ab und an nahmen sie die Stäbe aus dem Mund, um sie zu überprüfen, bevor die Männer weiter darauf kauten. Als sie damit fertig waren, berieten sie sich sehr lange. Kit konnte diesem Gedankenaustausch nur teilweise folgen. Er spürte das Schwirren von Gedanken innerhalb der Gruppe – er vermochte stets zu erkennen, wenn sie über etwas diskutierten –, doch die Eindrücke setzten sich nicht ab und kristallisierten sich nicht, wie das geschah, wenn En-Ul sich direkt an ihn wandte. Augenblicke später gingen die Männer auseinander und stellten sich einzeln oder zu zweit entlang der Wand auf. Dann begannen sie mit der Arbeit.
    Kit fand einen bequemen Sitz auf einem niedrigen Felsen, lehnte sich zurück und schaute zu, wie die Jäger, die sich nun in Künstler verwandelten, ihre Entwürfe zeichneten. Jeder von ihnen skizzierte auf seinem Abschnitt grob die grundlegende Gestalt eines Ochsen, eines Hirsches oder eines Bären, wobei er Konturen der Felswand folgte, die nur er sehen konnte. Anschließend tupfte er den primitiven Pinsel in die Farbe und begann, den skizzierten Körper auszumalen. Die Männer kamen schnell voran, während sie den Gestalten, die sie erschufen, Farben und Schattierungen verliehen. Allmählich wurde Kit sich eines merkwürdigen Geräuschs bewusst: ein leises, dumpfes, monotones Brummen, das beinahe unterhalb der Hörschwelle lag. Es hob sich und fiel wie Wellen, die gegen eine entfernte Küste schlugen; der Klang nahm zu und dann wieder ab: Die Clanmänner brummten, während sie arbeiteten – es war kein richtiges Vokalisieren, sondern mehr wie ein Schnurren. Der Ton schien nicht aus der Kehle, sondern aus der Brust zu kommen; und als er erst einmal begonnen hatte, ging er weiter und weiter und weiter.
    Kit sah zu, wie das Malen voranschritt. Plötzlich fiel ihm ein, dass er Arthur Flinders-Petrie nachahmen und die Glyphen auf sich selbst kopieren könnte, falls auch er malen würde. Dann könnte er seine eigene Meisterkarte werden und so die geheimnisvollen Zeichen für weitere Studien aus der Höhle heraustragen. Er nahm sich eine der Muschelschalen und füllte sie mit etwas zerstoßener Erde, die er mit Wasser verrührte. Anschließend machte er sich auf den Weg zurück in den Hauptgang der Höhle. Als er an Dardok vorbeikam, hielt er inne und flüsterte: »Ich brauche etwas zu trinken.« In seinem Kopf entstand das Bild eines Mannes, der mit seinen Händen Wasser zum Mund führte. Dardok blickte sich zu ihm um und gab ein zustimmendes Grunzen von sich, bevor er mit seiner Arbeit fortfuhr.
    Nach diesem kurzen Informationsaustausch nahm Kit seine Lampe und marschierte durch den Tunnel zurück, der zur Hauptpassage und der Galerie mit den Tieren führte, wo er die Bildsymbole der Meisterkarte gesehen hatte. Er folgte dem ständig sich drehenden und wendenden Gang aus Stein und gelangte zu einer Stelle, wo sich der Tunnel teilte. Kit hielt an. An diese Abzweigung vermochte er sich nicht zu erinnern. Andererseits – als er von der anderen Seite

Weitere Kostenlose Bücher