Die Seelenzauberin - 2
welches Ziel er damit verfolgt. Er ist eitler als die meisten unserer Brüder, und er liebt es, sich mit den Insignien der Morati-Macht zu schmücken; das ist seine größte Schwäche. Aber er ist auch ein berühmter Gelehrter, bewandert in allen geheimen Künsten, und sein Wort hat in unserer Bruderschaft großes Gewicht. Und dann hatte Aethanus noch eine strenge Warnung hinzugefügt: Sei besonders vorsichtig, wenn du diesen Mann belügst; er wittert jede Unwahrheit, auch ohne Zauberei einzusetzen.
Zu ihrem Schrecken erkannte Kamala in dem Mann auch den Magister, der ihren Kampf mit dem Seelenfresser vor Dantons Palast beobachtet hatte. Ihr Herz schlug schneller, und sie suchte sich damit zu beruhigen, dass er niemals ihr Gesicht gesehen hatte und sich deshalb auch nicht an sie erinnern konnte. Von allen Magistern wusste nur Colivar, wie sie aussah.
Noch ein Schwarzrock war mit im Raum, ein mürrischer Zauberer, den der Erzprotektor als Lazaroth vorstellte, Königlicher Magister am Hof von Keirdwyn. Er war bleich und hatte kurz geschorenes schwarzes Haar, und man sah ihm an, dass er viel lieber anderswo gewesen wäre. Mit seinen mandelförmigen Augen und den vollen Lippen wirkte er irgendwie zudringlich, fast lüstern, aber Kamala fand ihn auch auf eine Weise beunruhigend, die sie nicht zu beschreiben vermochte; jedes Mal, wenn er sie ansah, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Aethanus hatte seinen Namen nie erwähnt, aber das hieß nicht zwangsläufig, dass er kein Zauberer von Format sein konnte; manche Magister wechselten ihre Namen so selbstverständlich wie den Körper, in dem sie sich der Welt präsentierten.
Anwesend waren auch der Oberste Hüter Favias und sein Meisterarchivar. Man hatte beide sofort nach Rhys’ und Kamalas Ankunft in den Palast gerufen. Neben ihnen saß Keirdwyns Feldmarschall, und am Kopfende der Tafel thronten der Erzprotektor und seine Gemahlin. Die beiden Monarchen kamen Kamala weniger wie ein Ehepaar denn wie Bruder und Schwester vor. Das sei auf die tausendjährige Inzucht unter den Lyr zurückzuführen, hatte ihr Rhys erklärt. Angeblich hatten die Götter des Nordens nach dem Großen Krieg diese Form der Fortpflanzung angeordnet und die Kinder aus Lyr -Verbindungen mit einem besonderen Zauber vor den üblichen Folgen von Inzestpaarungen geschützt. Nur so konnten die magischen Blutlinien bewahrt und gestärkt werden und die Zeiten überdauern.
Kamala fand das alles krankhaft.
Der Erzprotektor wartete, bis sämtliche Blicke auf ihn gerichtet waren, dann sagte er: »Ich danke Euch, dass Ihr so kurzfristig hierhergekommen seid. Die meisten sind mehr oder weniger im Bilde über das Geschehen und kennen auch die Berichte, wonach ein Seelenfresser in Corialanus und ein zweiter in Dantons Hauptstadt gesichtet wurde. Ich bedaure sagen zu müssen, dass inzwischen beide Meldungen bestätigt wurden. Für das zweite Ereignis haben wir heute sogar Augenzeugen unter uns.« Er nickte zuerst Ramirus zu, dann schaute er in Kamalas Richtung. Sie erschrak und begriff erst etwas später, dass Rhys gemeint war. »Niemand sollte verkennen, was diese Zeichen bedeuten. Unser alter Feind ist zurückgekehrt.
Hüter Rhys konnte eine der Kreaturen zur Strecke bringen, doch unsere Mittelsmänner waren nicht in der Lage, die zweite ausfindig zu machen, und nun kursieren Gerüchte, wonach Nester an mehreren entlegenen Orten entdeckt wurden. Der Krieg, den wir schon so lange fürchten, scheint ausgebrochen zu sein. Er wird nicht an der Nordgrenze ausgefochten werden, wie wir erwartet hatten, sondern mitten im Herzen der Menschenreiche.«
Er holte tief Atem; seine Miene wurde sehr ernst. »Dem Mut des Hüters Rhys und seiner Begleiterin Kamala verdanken wir die Nachricht, dass in Alkal ein Speer beschädigt wurde. Das hat den Heiligen Zorn so sehr geschwächt, dass ihn die Seelenfresser überqueren konnten. Der uralte Fluch ist noch in Kraft, aber er wirkt nicht mehr so stark und so gezielt wie einst. Nun leidet das ganze Gebiet unter seinem unheilvollen Einfluss, und jede Form von Zauberei ist beeinträchtigt. Zudem sieht es ganz danach aus, als hätte sich Alkals Oberster Hüter gegen seine eigenen Brüder gewandt und verfolge inzwischen andere Ziele. Seit Monaten wurde kein Vertreter Alkals in den anderen Protektoraten gesehen. Ist das richtig, Meister Favias?«
Favias nickte grimmig. »Richtig, Sire.«
»Meister Anukyats Absichten sind uns letztlich ebenso unbekannt wie seine Motive –
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