Die Seelenzauberin - 2
Magister. »Lazaroth?«
»Ich werde mich bemühen, weiteres Material ausfindig zu machen«, gab der Magister kühl zurück. »Nach meiner Erfahrung arbeiten die Archivare jedoch recht gründlich. Ich bezweifle, dass es Zeugnisse gibt, die uns noch nicht bekannt sind.«
»Den Speer selbst könnt Ihr nicht untersuchen?«, fragte der Protektor.
»Ich bedaure, nein. Der Heilige Zorn verzerrt alle Zauberkräfte, die auf ihn wirken, woher sie auch stammen. Wir könnten vielleicht eine Verbindung herstellen, wenn wir uns große Mühe gäben, aber niemand kann sagen, ob die Erkenntnisse, die dabei gewonnen würden, auch zutreffend wären. Die Anstrengung wäre also bestenfalls vergeblich und schlimmstenfalls verfehlt.«
»Dann werden wir mit irdischen Mitteln unser Bestes tun«, entschied der Erzprotektor und wandte sich wieder dem Archivar zu. »Noch etwas, Meister Rommel?«
»Das wäre vorerst alles, Sire.« Rommel sammelte seine Pergamente so ehrfürchtig wieder ein, als wären sie aus purem Gold. »Wir werden unsere Bemühungen fortsetzen.«
Stevan nickte und wandte sich an den Obersten Hüter. »Meister Favias. Ich bitte um Eure Stellungnahme.«
Favias kniff nachdenklich die Augen zusammen. »Der Überlieferung zufolge schleuderten die Götter ihre Waffen auf die Erde, und die Erde erhob sich und bedeckte sie, um sie für den Tag zu bewahren, an dem wir sie erneut brauchen würden. Nun stellen wir fest, dass eines dieser Monumente nur eine Handvoll Zeichen enthält und nichts sonst.« Er hielt inne und strich sich den Bart, während er weiter über das Rätsel nachgrübelte. »Vielleicht sind ja die Worte selbst die Waffe, die wir brauchen. Ein starker Zauber, den uns die Götter für den Fall schenkten, dass ihr Fluch jemals ins Wanken geriete.«
Nun ergriff zum ersten Mal die Erzprotektorin das Wort. »Vergesst nicht, wie teuer jener erste Zauber bezahlt wurde. Alle Hexen und Hexer der Welt sollen damals ihr Leben hingegeben haben, damit die Götter ihre Gebete erhörten. Glaubt Ihr wirklich, wir könnten den Schaden mit geringerem Aufwand beheben? Die Hexen und Hexer von heute werden wohl kaum bereit sein, ein vergleichbares Opfer zu bringen.« Ihre klaren Augen funkelten im Schein der Lampen. »Sie begreifen noch nicht, womit wir es zu tun haben«, sagte sie leise. »Sie fürchten den Feind noch nicht genug.«
Rhys hatte die Fäuste so fest geballt, dass die Fingernägel sich in die Handflächen bohrten und ein paar Blutstropfen hervorquollen. Kamala konnte seine Gedanken nur erahnen. Würden die Anwesenden ein solches Unternehmen eher für denkbar halten, wenn sie wüssten, dass kein freiwilliges Opfer erforderlich war, weil man das Ziel auch mit Massenmord erreichen konnte? Wären sie bereit, diesen Preis zu bezahlen? Er brauchte ihnen nur die Wahrheit zu sagen, dann wüssten sie, wie teuer die Macht tatsächlich war.
Und würden ihren Glauben verlieren.
»Fest steht, dass wir eine genauere Übersetzung der Inschrift brauchen, bevor wir uns für eine Vorgehensweise entscheiden«, sagte der Erzprotektor. »Ich bin in diesem Punkt weiterhin für alle Vorschläge offen. Doch nun möchte ich auf einige andere Fragen zu sprechen kommen.«
Er richtete die kühlen blauen Augen auf seine Tochter. »Da du gerade hier bist, Gwynofar, würde ich gerne ein Thema erörtern, das mit dem Großkönigreich zu tun hat. Möglicherweise hängt es auch mit den anderen Geschehnissen zusammen. Innerhalb der Familie sollte man offen zueinander sein, denn das ist die Art der Lyr . Stimmst du mir zu?«
»Selbstverständlich.« Gwynofar nickte freundlich.
»Ist es dir recht, wenn alle Anwesenden hierbleiben? Oder würdest du einen kleineren Kreis vorziehen? Ich möchte nicht, dass du dich bedrängt fühlst.«
Die Großkönigin schaute in die Runde. Am Tisch saßen entweder Angehörige der Herrscherfamilie von Keirdwyn oder Ratgeber, die deren Vertrauen genossen und sicherlich erwarteten, in ein solches Gespräch einbezogen zu werden. Die einzige Ausnahme war Kamala. Gwynofars Blick ruhte kurz auf ihr – versuchte sie einzuschätzen –, aber Rhys ergriff vor aller Augen die Hand der Hexe und drückte sie fest. Eine unmissverständliche Botschaft
Gwynofar nickte. »Ich habe nichts dagegen.«
Der Erzprotektor trommelte mit den Fingern auf den Eichentisch, während er seine Gedanken sammelte. »Dein verstorbener Gemahl Danton wollte Frieden an seiner Nordgrenze. Du wurdest mit ihm vermählt, um diesen Frieden zu besiegeln.
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