Die Seelenzauberin - 2
Zeit ihre ursprüngliche Bedeutung verloren ging. Deshalb können wir diesen Text leider nicht so genau deuten, wie es mir lieb wäre.«
»Sagt uns, was Ihr herausgefunden habt«, verlangte der Erzprotektor.
Rommel holte tief Atem; an solche Befehle war er sichtlich nicht gewöhnt. »Der Text scheint sich in drei Teile zu gliedern. Der erste Teil ist auf jeden Fall eine Anrufung.« Rommel deutete auf einzelne Zeichen. »Das hier steht für Seher , das hier für Wahrsager und das hier für Heiler .« Kamala beugte sich unwillkürlich vor. »Solche Beispiele gibt es noch mehr, sie beziehen sich alle auf verschiedene Arten von Hexen und Hexern.« Sein Finger wanderte zur zweiten Zeile. »Hier werden die Naturgewalten angesprochen: Wind, Luft, Erde, Feuer … Sterne werden genannt, die Sonne , und dieses Symbol steht für einen oder beide Monde … und dann folgt eine Gruppe von Zeichen, die ich nicht identifizieren konnte. Vermutlich eine weitere Naturkraft.«
Alle Mächte dieser Welt , schoss es Kamala durch den Kopf. Ihr Traum kam ihr wieder in den Sinn. Die beiden Magister hatten sich wie auf ein Stichwort nach ihr umgedreht, und ihr blieb fast das Herz stehen. Was hatte sie getan, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen? Belauschten sie etwa ihre Gedanken? Oder waren ihre magischen Sinne einfach für jede Erkenntnis geschärft? Innerlich zitternd verstärkte sie die Abwehrzauber, die sie für dieses Treffen vorbereitet hatte, sodass auch bohrende Fragen sie nicht durchdringen konnten. Vorsichtig. Ganz vorsichtig. Wenn die beiden nur in ihrer Aura Zauberkräfte spürten, würden sie vielleicht annehmen, irgendein Patron hätte sie mit einem Schutzzauber versehen, aber wenn sie sie dabei ertappten, wie sie selbst in ihrer Gegenwart einen Zauber wirkte, gäbe es keine Ausflüchte mehr. Dann hätte sie sich verraten.
Lazaroth wandte sich wenig später ab und richtete den Blick auf Rommels Gekritzel, doch Ramirus ließ sie nicht aus den Augen. Sie glaubte den suchenden Finger seiner Macht eiskalt auf der Haut zu spüren, biss die Zähne zusammen und zwang sich, nicht zurückzuzucken oder sich sonst wie anmerken zu lassen, dass sie ihn wahrgenommen hatte. Nach einigen Sekunden schien er sich enttäuscht zurückzuziehen. Ihre Abwehr hatte standgehalten.
»… halten wir es für den Zweck dieser Liste, Macht in allen Formen zu beschwören, die den Hexen und Hexern jener Epoche bekannt waren, um damit ein Opus magnum, ein Großes Werk zu vollbringen«, sagte Rommel gerade. »Zauberer waren aus bekannten Gründen nicht beteiligt.«
»Werden irgendwelche Götter namentlich genannt?«, fragte Rhys unvermittelt.
»Nicht in den Zeichen, die wir deuten konnten.« Remmel zog die Stirn in Falten. »Das ist wirklich seltsam, nicht wahr? Vielleicht stand davon etwas im nächsten Abschnitt, und der Text ist nicht erhalten. Sagtet Ihr nicht, dieser Teil des Speers sei zerfallen? Möglicherweise wollte der Schreiber nur die Mächte anrufen, die für Menschen fassbar waren. Götter sind schließlich Wesen ganz anderer Art, nicht wahr?«
Rhys machte ein finsteres Gesicht, aber er schwieg.
»Der nächste Teil spricht von einem Opfer. Hier wird vermutlich über den Zug der Hexen und Hexer in die Nordlande und über das Schicksal berichtet, das sie zu erwarten hatten, während sie die letzten Seelenfresser zur Strecke brachten. Jedenfalls wird ein sehr düsteres Bild gezeichnet. Die Symbole hier stehen für Hunger, Tod und Angst … und von dieser Art gibt es noch viele. Eine umfassende Liste menschlicher Leiden. Was den dritten und letzten Abschnitt angeht …« Rommel starrte auf die letzten Seiten seiner Arbeit. »Damit konnten wir leider nicht viel anfangen. Diese Zeichenfolge hier verweist auf drei Damen , die hier auf Wahrheit , hier unten ist von einem Dämmersitz und später von einem Thron der Tränen die Rede, möglicherweise zwei Begriffe für ein und dieselbe Sache, dann findet sich mehrfach das Wort Blut – jedes Mal mit einem anderen Bestimmungswort, und die Zahl Sieben wird etliche Male erwähnt.« Er seufzte. »Diesen Abschnitt untersuchen wir noch, doch lässt die Form bereits darauf schließen, dass es sich um eine Warnung oder sogar um eine Weissagung handeln könnte. In diesem Fall lässt sich die Bedeutung wahrscheinlich nicht ohne eine genaue Übersetzung aller Zeichen entschlüsseln. Und für eine solche Übersetzung fehlen uns bislang noch die Quellen.«
Der Erzprotektor wandte sich an seinen Königlichen
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